Samstag, April 29, 2006

Entschuldigung, arbeiten Sie hier?

Was für einen Unteschied zehn stunden Schlaf und ein bißchen Shopping machen können... ich war heute gleich wie neugeboren nach beidem. Diese letzte Woche war einfach schief gewickelt, mit Schlafdefizit von Anfang an. Dabei ist Shopping in Ungarn schon ein Erlebnis für sich... dazu gleich mehr. Zunächst mal ein paar meiner Lieblingswörter auf Ungarisch:
  • icipici (sprich: itzipitzi) heißt "klein". Ist das nicht geil?
  • drót (sprich: droht, mit rollendem r) heißt "Draht"
  • muszáj (sprich: mussei) heißt "es muss sein"

Die letzteren beiden sind Lehnwörter aus dem Deutschen, logischerweise.

Also, der Tamás hatte mir von dem coolen Tisza-Laden erzählt. Das hat mich so angemacht, dass ich heute gleich hin bin. Aber Achtung: das ist nicht mein Kollege Tamás, sondern ein neuer Bekannter. Der spricht 1A deutsch und auch englisch, denn er hat 5 Jahre in den USA studiert. Und das hat er sich finanziert über ein Stipendium für Osteuropäische Volkstänzer. Er musste also quer durch die Staaten mit der Volkstanzgrupp der Uni Pittsburgh fahren und vornehmlich vor Osteuropäischen Auswanderern auftreten, dafür hat er ein Stipendium bekommen. Sachen gibt's... abere andere Leute spielen halt Baseball oder so.

Das coole an Tisza: es war früher im Sozialismus das eizige Sport-Label. Man hat es jetzt wiederbelebt, weil man dachte, Retro ist im kommmen. Und man hatte recht: als ich in den Laden am Astoria reinging, sah ich gleich super Schuhe. Ich stehe also vor dem Regal und überlege. Die Verkäuferinnen verhalten sich, nun ja, unaufdringlich -- obwohl der Laden quasi außer mir leer ist. Sie sind so unaufdringlich (um nicht zu sagen, von meiner bloßen Anwesenheit schon latent genervt), dass ich also die Initiative ergreife, und zu der einen hingehe. Tisza ist hier schienbar wirklich hip, die Verkäuferinnen dementsprechend stylish, aber eine Art hatte sie am Leibe... Ich frage also höflich, ob sie in dem Laden arbeitet und zeige also auf einen Schuh und frage (mit leichten grammatikalischen Fehlern), ob ich den in 42 mal anprobieren könnten. Sie deutet ein Kopfschütteln an und sagt: nincs. ("Den gibt es nicht..." ergänze: in 42). Ich überlege also, welche mir auch gut gefallen, gehe wieder zu ihr hin (sie hatte sich in der Zwischenzeit dezent entfernt) und frage nach denen. Sie (schon mit angeödetem Unterton): sincs ("Die gibt es auch nicht... " ergänze: in 42).

OK. Ich starre also die Wand mit den tollen Schuhen an und gehe wieder zu der Frau rüber und frage sie: welche gibt es denn überhaupt in 42? Jetzt wird sie etwas gesprächiger, so dass ich das nicht gleich verstehe. Als ich sage: nem értem (ich habe das nicht verstanden) geht sie rüber zu den Schuhen, nimmt einen raus, zeigt auf den Klettverschluss und sagt etwas lauter:
"Klett-ver-schluss". Dann nimmt sie einen anderen und zeigt auf die Schnürsenkel und sagt: "oder Schnür-sen-kel?". (Beide Worte habe ich auf Ungarisch schon wieder vergessen.) Ich entschuldige mich innerlich für meine Existenz und sage, dass mir das erstmal egal ist. Woraufhin sie mir eröffnet, das es praktisch gar keine Schuhe in 42 gibt. Auf meine Frage, warum nicht, gibt sie eine längere Erklärung, von der ich verstanden habe, dass die wohl nicht so massenhaft und auch nicht so schnell produziert werden. Ich könne aber Mitte Mai wiederkommen. Dann könnte es was neues geben. Versprechen kann sie aber nichts. Das ist ja im Prinzip super, wenn ich dann exklusive modellek anhabe... aber geht das nicht en bißchen serviceorientierter? Ich meine, sind wir noch im Sozialismus, oder was? Auf jeden Fall brauche ich solche Schuhe. Dringend. Für's erste verließ ich den Laden dann mit einem supergeilen
Polohemd und einer Art Sportbeutel mit dem Tisza-Logo drauf. Und so sieht das
Hemd aus:


Ich erzähle Euch vielleicht ein anderes Mal, wie es dann heute abend war, als ich im Westend-Shopping-Center eine weiße Hose für die Weiße Party (Deko und Leute in weiß!) gekauft habe... soviel aber jetzt: ich habe noch nie so oft den Satz "Entschuldigen Sie bitte, arbeiten Sie hier?" benutzt. Ich gehe jetzt zu der Party, aber ich muss aufpassen, dass ich mir nicht so die Kante gebe, denn morgen will ein Paper abgeschickt werden. Der Schlaf und die kleine Dosis Shopping haben mich auf jeden Fall ganz inspiriert, so dass ich heute nachmittag
in der Uni gleich eine super Einleitung geschrieben habe.

PS Wer von euch würde sagen, dass ich ein Problem habe, weil ich mir PuTTY auf dem Handy installiert habe? Ich meine, was für ein Nerd ich doch bin...

PPS Soundtrack of now:

  • Jeans Team "Nonstop Nonstop Nonstop (My Robot Friend Remix)"
  • Melnyk "Silence" (Wie konnte ich nur eines der besten Alben des letzten Jahres verpassen?)
  • The Boygroup "Freakalert"
  • Ladytron "Extended Play" (Danke, allofmp3)
  • Atomizer "Zero Zero" Good old days of Synthpop!
  • Elektrochemie LK "Pleasure Seeker" (Ist breits seit drei Monaten mein absoluter Lieblingstrack.)

3 Kommentare:

Anonymous Anonym meint...

Szia Jancsi!
wow, tök jó, hogy írtál rólam a blogodban. Köszi! Puszi! :)

Übrigens, hier ist die Seite der Ami-Volkstanzgruppe falls die jemanden interessiert.
http://www.tamburitzans.duq.edu/

Ciao

2.5.06  
Anonymous Anonym meint...

Szia Jancsi!
wow, tök jó, hogy írtál rólam a blogodban. Köszi! Puszi! :)

Übrigens, hier ist die Seite der Ami-Volkstanzgruppe falls die jemanden interessiert.
http://www.tamburitzans.duq.edu/

Ciao

Tamás

2.5.06  
Anonymous Anonym meint...

mmmmmmh find das lied auch supi, nur find ich den songtext net im internet.... kannst du mir helfen????
su

30.8.06  

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Donnerstag, April 27, 2006

Hallok

Komme gerade aus dem Kino: "Capote" (OmUngrU). Nicht schlecht, gnau genommen sogar sehr schön, aber ich weiß immer noch nicht so recht, was ich davon halten soll. Es stimmt auf jeden Fall, dass dieser Seymour Philipp gut spielt. (Der hatte den Oskar für die Rolle des Truman Capote bekommen.) Auf jeden Fall etwas besser zu verdauen, als dieser französische Film mit ungarischen Untertiteln letzte Woche.


Heute möchte ich mal über ein paar Dinge in Ungarn schreiben, an die ich mich noch nicht gewöhnt habe:

1. Das Geld

Wieviel war ein Forint? Was entspricht einem Euro? Ich weiß es nicht. Also, ich weiß es schon (1 € = ca. 270 Ft) aber ich habe keine Beziehung dazu. Wahrscheinlich hilft es nicht gerade, dass ich den Wechselkurs in menem Handy gespeichert habe und das immer zücke, wenn Beträge über 1000 Ft anfallen. Ich weiß, ich bin Mathematiker. Trotzdem weigere ich mich kopfzurechnen. Man hat ja die moderne Technik. Eines ist beruhigend: mein Gehalt hat 1-2 Nullen mehr dran als das meiste, was ich so zahlen muss. Beim Mittagessen und Zigaretten sogar drei. Also kein Grund zur Panik. Merkwürdig ist auch, dass die Ungarn immer, immer, immer, fragen, ob man es nicht kleiner hat. Und zwar egal, wie hoch der Betrag ist und mit welchem Schein man zahlt. Das versteh ich einfach nicht. Die Fresse, die die Supermarktkassiererin zieht, wenn man mit einem 10 000-Ft-Schein zahlt, wollt ihr nicht sehen. A propos Geld: habe heute den Steuerbescheid des Finanzamtes Berlin-Kreuzberg erhalten. Tatsächlich hat meine WISO-unterstützte Rechnung gestimmt und sie haben alles akzeptiert. Da braucht man doch keinen Steuerberater! Wer nochmal sagt, mein Rucksack war teuer, dem halte ich entgegen: alles Betriebsausgaben.

2. Hallo

Wusstet ihr, das "Hallo" aus dem ungarischen kommt? Irgendwelche ungarischen Ingenieure waren bei den ersten Telefongesprächen am Start. Und der Typ, der den Hörer abnahm, sagte zu seinem ungarischen Kollegen hallok, "ich höre". Auch heute sagen die Ungarn gerne und oft "Hallo", oder wahlweise auch "Hello". Das ist schon immer total verwirrend, weil es genau wie das deutsche oder das englische Wort klingt. So weit, so gut. Das Problem ist nur: sie benutzen es auch als "Tschüs". Jeden Tag in der Uni kommt es also vor, das jemand aus dem Fahrstuhl steigt und vorher noch ein nettes "Hallo" in die zufällige Runde spricht. Und jedesmal komme ich damit nur schwer klar. (In Ungarn grüßt man sich grundsätzlich fast immer. Man hält auch Frauen die Tür auf. Und die bedanken sich dann mit köszi, der Verniedlichung von köszönöm. Und dann sagt man: szívesen, "gern geschehen." Und zwar nicht nur bei älteren Damen, sondern auch bei Studentinnen in der Uni.)

3. Party-Emails aus Berlin

Ach, Berlin. Ich stehe ja auf allen möglichen Club-. und Party-Mailinglisten, die auch hier ankommen. Das bricht mir immer das Herz. Heute gesehen: BLACK STROBE und SASCHA FUNKE und FRANK MARTINIQ im 103 am Freitag. *kreisch* Das geht einfach über meine Kräfte. Und ich kann nur manchmal zu so komischen Events wie am letzten Wochenende gehen. Aus der Ferne lerne ich langsam das Berliner Nachtleben richtig zu schätzen. Got til its gone...

4. Kotze im Nachtbus

Ich habe ja schon einige Loblieder auf die Budapester Verkehrsbetriebe (BKV) gesungen. Unter andere fährt jede Nacht im 10-Minuten-Takt ein Bus entlang de Tramlinie, also mich von der Arbeit nach hause. Nur: Warum muss es im Nachtbus grundsätzlich nach einer Mischung aus Kotze und Alkohol stinken? OK, das mit dem Alkohol verstehe ich in einem Nachtbus in der Innenstadt ja noch. Man sieht die Leute auch trinken. Aber komischerweise zieht immer ungefähr auf Mitte meiner Strecke nach hause eine zweite Note auf, die Kotze. Es riecht nie nach Kotze, wenn ich einsteige, aber wenn ich aussteige. Ich bin ich immer froh, dass das vorbei ist. Dabei habe ich noch niemanden im Nachtbus kotzen sehen. Welt der Wunder. die Bilder in diesem Post sind auch beide aus den BKV. Oben: U-Bahntreppe in der Station Arany János. Unten: Gerangel im Nachtbus. Ich habe leider die Szene nicht auf Zelluloid gebannt, in der sich zwei Prollweiber (die vorher im Bus geraucht hatten) geprügelt haben und dabei halbvolle Bierflaschen durch die Gegend warfen.


So, ich geh jetzt schlafen, morgen wollen weitere Heldentaten geschafft werden. Heute habe ich das erste Mal die Berge-Vermutung ansatzweise verstanden, also muss es morgen weitergehen!

PS "Auf Zelluloid gebannt", hi hi. Ich habe aber gemerkt, dass der selektive Gaußsche Unschärfefilter von GIMP bei den Handybildern Wunder wirkt.

Mittwoch, April 26, 2006

Hogy ityeg a fityeg?

Diesseits der Alpen staut sich langsam ein Schlafdefizit auf... und außerdem vernachlässige ich meinen Blog. Der Grund: Arbeit. Zunächst mal musste ich ja gestern meinen Vortrag halten. Und dann rückt die 1.-Mai-Deadline immer näher, an der wir unseren tollen Warum-wir-generell-super-sind-Artikel in dieses IEEE Magazin bringen wollen. Ich habe zwar gerade eine halbwegs inspirierte Phase, aber warum muss die zu einem weiteren Tag in Übermüdung führen? Also, ich handel mal schnell die Punkte ab, die ich euch schuldig bin:


Sven Väth am letzten Samstag im "Bed" in Óbuda. Ja. Toll. Aber irgendwie auch komisch. Zunächst mal sehr positiv: die Leute waren meistens schick und hatten gute Frisuren. Da fühl ich mich gleich wohl. Der Club war sehr schön. Nur eines war merkwürdig: das ganze glich mehr einem Take-That-Konzert als einer Party. Eine Traube von digitalkamerahaltenden Menschen sammelte sich um das DJ-Pult, das im Schoss eines riesigen goldenen Buddhas angesiedelt war. Alle wollten Autogramme oder auf sich aufmerksam machen oder sonstwas. Zunächst von Coyote X, der eigentlich ziemlich geil aufgelegt hat. Dann von Johannes Heil, der auch einen ziemlich guten Gig hatte, und dann -- ab halb zwei -- vom Superstar des Abends. Direkt neben dem Pult stand seine komische in Süddeutschem Akzent sprechende Entourage. Hip und schick bis dorthinaus, aber irgendwie unsympathisch. Die anderen Leute verhielten sich dann nicht, als ob sie in einem Club seien und Spaß haben wollen, sondern eben wie auf einem Konzert von Robie Williams. Etwas unkommunikativ. Und dann der Triller-pfeifende und Leuchstäbchen-wedelnde Ostblockfaktor. Alles mit dabei. Sven hat toll aufgelegt, aber weil ich alleine da war, wollte ich micht nicht völlig abschießen. Und halb nüchtern war mir die Mucke um drei zu hart und ich bin noch auf ein Stündchen in die Busche von Budapest. Da habe ich dann Erika kennengelernt und auf ein Bier eingeladen. Am Ende musste ich ihr meinen Pumahut mit Gewalt entreißen. Ich habe mit meiner Knipse leider kein Foto hinbekommen, wo man Sven Väth auch erkennen kann...

Mein Vortrag gestern: ich habe die Folien in letzter Minute zuende gebastelt, aber war dann eigentlich ganz zufrieden. Dem Publikum schien allerdings ein Vortrag eher suspekt der nicht beginnt mit "Sei f ein Funktion mit folgenden Eigenschaften..." sondern mit "Das ist mein neues UMTS Telefon, und als ich neulich durch Budapest ging ist mir doch direkt das Gespräch abgerissen..." Dafür, dass es gleich nach dem Mitagessen und in der beginnenden Sommerhitze war, war auch die Einschlafquote (maximal 40%, im Schnit 20%) ganz gut. Zu eurer Information: bei wissenschaftlichen Vorträgen schlafen immer, grundsätzlich, Leute ein. Oft und gerade auch die Professoren.

Die MSZP hat tatsächlich die Wahlen gewonnen. Sie sind sogar nur knapp an einer absoluten Mehrheit vorbeigeschrammt. Sehr zur Freude ihres Juniorpartners, der SZDSZ mit der komischen kleiner-Junge-und-alter-Mann-Kampagne. Die super Erfahrung für mich: ich habe diesmal viel, viel mehr von der Radioberichterstattung verstanden. Den Wahlsieg kann man zwar auch so sehen, wie auf dem Foto unten. (Das dürfte ja wohl jedem klar sein, was damit gemeint ist? Kleiner Tipp noch: soha heißt "nie".) Ich hab mir aber sagen lassen, dass die Koalition das einzig wählbare ist. Und zwar von jemandem, der nicht im Verdacht steht, kommunistische Wehmut zur verspüren, sondern im O-Ton meinte: "In Deutschland war ich immer rechter Rand der FDP." Dann wird es also nicht so schlecht sein.

Zu guter Letzt die Kleinigkeiten:

  • Ich lerne jetzt 50 ungarische Vokabeln am Tag. Mit meinem Handy und dem Englisch-Ungarisch-Vokabeltrainer, den ich mir dafür gekauft habe. Es hilft auch! Ich weiß nicht, ob ich das gut oder schlecht finden soll, dass meine Lernkurve im Ungarischen noch sehr steil verläuft.
  • Ich habe jetzt Fernsehen! Das hätte ich schon die ganze Zeit haben können, wennich mal das Kabel aus der Wand in den Fernseher gesteckt hätte und den automatischen Sendersuchlauf gestartet hätte. Stattdessen muss ich jetzt diese blöde Zimmerantenne umtauschen, die ich gerade vom Mediamarkt geholt habe, die sowieso nicht funktioniert, und die mich erst auf die Idee mit dem Kabel gebracht hat. Es ist zwar nur MTV1 (Magyar Televisió, nicht Music TV!), aber immerhin.
  • Wann schaffe ich es endlich mal, abzuwaschen? Meine Küche widert mich an!
  • Hier ist jetzt schon richtig Sommer. Abends geht es auch schon im T-Shirt. Seid ihr neidisch?
  • Hogy ityeg a fityeg heißt wörtlich wohl sowas wie "Wie schengelt der Baumel". Ist ein altmodischer Slang für "Wie läuft's", habe ich heute gelernt!
  • Ich glaube, ich bin jetzt endgültig WAP-süchtig. Es ist aber auch einfach zu geil, wenn man überall Zugriff hat auf Népszabadság, FAZ, El Pais, tagesschau, seine E-Mail, Wapedia, LEO, und, und, und. Heute wollte ich schon vom Handy aus bei Amazon was kaufen. Hat zum Glück nicht geklappt.

Und so sieht es aus, wenn nachts auf der Teréz körut die Strassenbahn modernisiert wird:

Samstag, April 22, 2006

Der Akkusativ von Nein

Oh Mann. Heute muss ich eigentlich meinen Vortrag für Montag fertig machen. Ich wollte die Sache so ungefähr jetzt in trockenen Tüchern haben. Stattdessen habe ich gerade erst angefangen. Dafür gibt es zwei Gründe:
  1. Die Batterien meiner Maus sind alle, und über das Touchpad kann man irgendwie nicht recht mit Powerpoint arbeiten.
  2. Ich habe einen Kater von gestern.
Ich glaube, 2. ist ausschlaggebend. Es ging aber auch nicht anders. Ich war mit einem neuen Bekannten und dessen Freunden in einer gewissen Bar mit kariert gekacheltem Badezimmer. Die Leute waren alle ziemlich nett. Leider sprachen sie aber untereinander meistens ungarisch, und obwohl ich ja Fortschritte gemacht habe, konnte ich da einfach nicht recht partizipieren. Es ist natürlich nicht so, dass ich ignoriert worden wäre, aber frustriert war ich doch etwas. Und da nimmt man bekanntlich gerne mal Alkohol zu sich. Irgendwann setzte sich obendrein noch Hermann neben mich. Das hat mir den Rest gegeben, denn er ist der Besitzer des Ladens; ich hatte ihn vor vier Wochen kennen gelernt und musste ab dem Punkt nur noch trinken, nicht mehr zahlen. argh Nun gut. Imerhin habe ich schon den Bytecode eines kleinen Applets zur Erklärung von CDMA dekompiliert und dann dafür gesorgt, dass die roten Linien in dem Bild unten dreimal so dick sind, damit man sie auch über den Beamer erkennen kann. Ich Held.


Gestern hatte ich auch eine erhellende Erkenntnis über die ungarische Sprache: immer mal wieder liest man hier Sachen, in denn mondd nemet xyz-hoz vorkommt. Das hat mich permanent verwirrt. Warum soll man "deutsch" zu diesem oder jenen sagen? Es stellt sich also raus, dass nemet mitnichten mit német, "deutsch", zu verwechseln ist. Vielmehr kommt es von nem, "Nein", und ist - nun ja - der Akkusativ. Das heißt also insgesamt: "Sag Nein zu xyz." Das lassen sich jetzt die linguistisch gebildeten Leser mal auf der Zunge zergehen: der Akkusativ von "Nein". Das klingt hirnrissig? Das macht keinen Sinn? Stimmt, denn "Nein" ist bestimmt kein Substantiv. Und wisst ihr, was an dem Gedankengang falsch ist? Es gibt keine Kasus in der ungarischen Sprache. Kasus sind ein Feature von indogermanischen Sprachen. Es gibt insbesondere keinen Akkusativ. Die ungarische Sprache ist eben nicht indogermanisch. Wenn wir in der Ungarischstunde lernen, dass man den Akkusativ mit -t am Ende bildet, dann ist das eine für die Vermittlung an Indogermanen aufbereitete Version der ungarischen Grammatik.

Vorsatz für's Ungarischlernen: alles in Frage stellen und nötigenfalls über Bord werfen, was ich aufgrund meiner indogermanischen Vorgeschichte voraussetze!

Ein weiteres Ergebnis meiner Selbstbeobachtungen ist, dass ich scheinbar eine infantile Phase durchmache. Habe mich gestern dabei ertappt, wie ich zuerst auf dem Weg zur Ungarischstunde Tocotronic hörte, und beim Text von "Ich habe Feuer gesehen" ganz ergriffen war vor lauter Poesie und dann bei "Michael Ende, Du hast mein Leben zerstört" fand, dass das einer der genialsten Texte überhaupt ist. Wie kindisch! Ich meine, ich gehe auf die 30 zu! In der Pause stand ich dann auf dem Balkon und rauchte und kam mir sowas von überlegen vor, weil ich gerade meine Email über's Handy checkte. Dabei habe ich eigentlich nur Spam gelöscht. Ist auch irgendwie kindisch.

Da Rauchen auf dem Balkon von Katedra, meiner Sprachschule, ist regelmäßig ein innerer Kampf zwischen Sucht und Angst: Der Balkon ist im fünften Stock. Er ist ca. 40 cm tief, und das Geländer ist aus Eisen und viel, viel, viel zu niedrig. Das trifft übrigens auf alle Geländer hier, z.B. in den Innenhöfen der Altbauten, zu. Da ich mich ja manchmal in Höhenangst reinsteigern kann und die Kante des Balkons außerdem so aussieht, als würde sie gleich abbröckeln, drücke mich also beim Rauchen permanent krampfhaft an die Wand und überlege, ob ich nicht doch lieber fünf Treppen runter und anschließend wieder hoch gelaufen wäre...



Eine Beobachtung über die ungarische Presselandschaft: es ist unglaublich, wie klar sich hier die Lager definieren. In Deutschland ist es natürlich so, dass man bei Zeitungen und Magazinen eine Tendenz darüber beobachten kann, welche politische Richtung von der Redaktion bevorzugt wird. In Ungarn kann sogar ich als Ausländer auf den ersten Blick erkennen, wo ein Magazin steht. Das ist nicht schwierig, ein Blick auf den Titel genügt: wenn Gyúrcsány Ferenc drauf ist, ist die Zeitung links, wenn Orbán Viktor drauf ist, ist sie rechts. So einfach. Der Titel von 168 óra heißt: Tovább, "mehr". Soll heißen: vier weitere Jahre für die MSZP-Regierung. Der Titel von HetiValasz lautet: együtt sikerülhet, etwa "zusammen kann es gelingen". Nämlich, dass die Fidesz unter Orbán doch noch im zweiten Wahlgang morgen die Lage umdreht und gewinnt. Ich finde das pervers und frage mich, ob die Ungarn keine objektive Berichterstattung wollen.

Fragen des Alltags:
  • Warum kommt das Wasser meistens weißlich-trüb aus der Leitung, und zwar in Alt- wie Neubauten?
  • Warum kann ich auf meinem Touchpad unter Linux mit zwei Fingern statt einem einen Rechtsklick hinlegen, aber für Windows gibt es keinen Treiber, der das unterstützt? Sollte das nicht anders herum sein?
  • Wie wird Sven Väth heute abend?
Ich werde berichten, wenn ich Antworten habe.

2 Kommentare:

Anonymous Anonym meint...

du hast einen grund vergessen, warum es mit deinem vortrag nur langsam vorangeht/ -ging:

"3. weil ich immer so lange blog-einträge schreibe"

aber du tust es ja nur für uns daheimgebliebene, du guter!!!

ich hoffe, du hast hermann von mir gegrüßt???

23.4.06  
Anonymous Anonym meint...

Also ich erinner mich nicht daran, dass Du mir in den letzten 25 1/2 Jahren, die wir uns kennen, jemals zum Namenstag gratuliert hast ;-)

5.5.06  

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Donnerstag, April 20, 2006

I like your observations


Etwas ganz, ganz tolles ist passiert! Ich hatte heute mal wieder eine Audienz bei András, meinem Prof. Und die lief su-per. Weltklassetennis. Nachdem ich den ganzen Tag versucht hatte, einen Slot bei ihm zu bekommen, war es dann gegen viertel fünf so weit. Zunächst berichtete ich ihm darüber, wie ich seine Übungsaufgaben bewältigt hatte. Das war soweit OK. In der Zwischenzeit kam jemand rein und meinte was zu ihm über einen Schlüssel, den er hat und nicht braucht. Da kam schon mal das eins zu null für mein Ungarisch: ich bekam mit, dass es um den Schlüssel für Zimmer 518 ging, wo der Drucker steht. Ich mischte mich also schnell ein und ta ta ta taaa hatte den Schlüssel. Und das, nachdem ich seit zwei Wochen hinter dem her bin.

Es stellte sich dann raus, dass ich eine Aufgabe nur halb gemacht hatte. Gut, kleiner Rückschlag. Dann rief ihn aber seine Frau auf dem Handy an und: ich habe verstanden, worum es ging! Sein Kind musste zum Klavierunterricht, und dummerweise ist der rakpart heute nachmittag zwischen Petőfi híd und Erszébet híd gesperrt, weil die Fidesz ihre letzten Kräfte vor dem zweiten Wahlgang mobilisiert. Ich war selber ganz überrascht und konnte nicht umhin, ihm das gleich zu sagen. Also scheint sich das frühe Aufstehen jeden Tag bezahlt zu machen. 2:0 für mein Ungarisch!


Das beste war aber, als wir dann zum exakten Matching in rot-blau-gefärbten Graphen kamen. Da habe ich ihm also von meiner alternativen Formulierung des Theorems und dem Beweis dazu erzählt. Und: er fand das toll! Ich hatte mir nämlich letzte und vorletzte Woche die Finger mit lauter roten und blauen Klecksen verschmutzt bei dem Versuch, die krude klingenden Theoreme für komplette und komplette bipartite Graphen in eins zu gießen und dabei rausgefunden, wie man die Sonderfälle, die nicht gehen, nur über Bedingungen an die geraden Kreise im Graphen charakterisieren kann. Woraufhin er meinte, dass sei interessant, das fände er schön, also: You have made nice observations, I like them. Weil sie nämlich die Essenz des Problems besser darstellen. Ha!

Zur Erklärung: eine Observation ist so ungefähr das kleinste originale Mathematische Achievement. Das größte ist ein Deep Theorem. Dazu wird's bei mir ganz sicher im Leben nicht reichen. Vermutlich nicht einmal zu einem Corollary. Trotzdem hatte ich das Gefühl, das sich die langen Abende an der Uni schon ein bißchen ausgezahlt hatten. Wie ich aussehe, wenn ich nach so einem langen Abend nachts auf die Tram warte, seht ihr oben. Man beachte die vor Erschöpfung glasigen Augen.

Ansonsten gibt es folgende Neuigkeiten:
  • Meine Sven-Väth-Front bröckelt in sich zusammen. Alle sagen ab, angeblich wegen Unistress. Diese Opfer. Ist mir egal: ich gehe trotzdem. Es wäre einfach zu unreif, sich dauernd über das Budapester Nachtleben zu beschweren und dann nicht zu Sven Väth zu gehen bloß weil keiner meiner kleinen Freunde mitkommt.
  • Die Frauen in meinem Ungarischkurs nerven mich. Dauernd müssen sie Englisch sprechen. Meine Güte. Aber siehe oben, ich lerne ja trotzdem was. Habe jetzt auch angefangen, meinen Vokabeltrainer auf dem Handy wieder zu benutzen. Ziel: 2000 Vokabeln im (passiven) Wortschatz in zwei Wochen.
  • A propos Handy: wegen der selbstkasteienden Einschränkung meiner Computeranschaltzeiten habe ich etwas rumgespielt und mir meine Email-Accounts aufs Handy geholt. Das funktioniert super! Ich kann jetzt morgens in der U-Bahn schnell Mail checken und schonmal den ganzen doofen Spam löschen. Nur kann ich nichts vom ZIB-Account aus senden, weil der Server nur einen unorthodoxen Port für Sendmail erlaubt.
  • Meine Behördengänge haben ein gutes Ende gefunden: Tatsächlich war meine Steuernummer gestern da, ich musste auch gar nicht lange warten. Bei der Univerwaltung waren sie's zufrieden und jetzt müsste ich im Prinzip Anfang April Geld bekommen.
  • Nachdem Ostermontag ein Hauch von Frühsommer/Hochfrühling anklang, ist es jetzt wieder öfter mal am Regnen. Aber nicht kalt!
Das oberste Bild zeigt mch übrigens auf der Szabadság híd, die das Géllert und die Markthalle verbindet. Im Hintergrund sieht man das eigentlich ziemlich schöne Befreiungsdenkmal, nach dem 2. Weltkrieg aufgestellt. Das schaue ich auch immer sehnsüchtig an, wenn die Ungarischstunde mal wieder etwas doof ist.

Dienstag, April 18, 2006

Esztergom

Na, das waren mal wirklich schöne Ostern. Seit langem wieder mal ein freies Wochenende und mit Martin in Budapest unterwegs. Allerdings haben wir es eher entspannt angehen lassen, so dass wir nicht viel geschafft haben. Nachts waren wir in den übelsten Läden unterwegs... Action, Bohemian Alibi, Trendy. Aus ersterem haben ja ein paar von Euch schon visuelle Eindrücke bekommen. Das zweite ist die Busche von Budapest. Das heißt nichts Gutes. Der Alkohol ist dort
spottbillig, und das ist auch notwendig, um den ganzen Mist zu ertragen. Nicht so im Trendy: da sind fast deutsche Preise angesagt, was für ein unglaublich arrogantes Publikum sorgt, und dann verwechseln die einen coolen Club mit hörsturzgefährdender Lautstärke. Obwohl die Musik eigentlich nicht schlecht war.


Das Highlight: unser Ostermontags-Trip nach Esztergom. Mittags sind wir mit dem Zug vom Nyugati Palyaudvar los, Zugfahrt ungefähr eineinhalb Stunden. Die ging ganz schnell vorbei mit dem ungarischen Opa, der Martin in sein Herz geschlossen hatte und gar nicht mehr aufhérte, vom vergangenen Groß-Ungarn zu berichten und dabei deutsche Brocken à la Messerschmidt, Göring, Wehrmacht einzustreuen. Dort muss man vom Bahnhof erstmal zu Fuss in die Stadt laufen, aber dann gibt es eine ziemlich große Kathedrale. Man kann bis auf die Kuppel hoch. Da ist das stürmische Bild von mir entstanden.


Bei dem Anblick weiß ich nicht so genau, ob es eine gute Idee war, die Fashion-Flaute in Budapest dazu auszunutzen, mir die Haare langwachsen zu lassen. Auf jeden Fall hat man von oben einen ganz tollen Blick auf die Donau. Nachdem wir uns den ganzen Berg mit der Kathedrale angeschaut hatten, sind wir noch an dem schönen weißen Denkmal vorbei. Das erinnert daran, dass in Esztergom der erste ungarische König I. István aka Stefan der erste im Jahr 1000 vom Papst gekrönt worden ist. Dann sind wir über die Brücke in die Slowakische Schwesterstadt Strurovo rüber. Die Deutschen haben beim Abzug die Brücke gesprengt, und sie wurde erst 2001 - aus EU-Geldern - wieder aufgebaut.


In Strurovo begab sich dann ein ganz toller Vorfall aus der Reihe "Schöne neue Welt": wir wollten also noch etwas essen und dann irgendwann zum Bahnhof und übers Donauknie nach Budapest zurück. Das dumme war nur: der Bahnhof ist dort ein paar Kilometer außerhalb, and der Strecke Pressburg - Ofenpest. In der Stadt war keine Information zu finden, wann genau denn Züge fahren würden, denn das Fremdenverkehrsbüro hatte am Ostermontag geschlossen. Daraufhin meinte ich nur zu Martin: ich such's schnell über mein Telefon raus. Da meinte er schon: wenn Du das schaffst, zahl ich das Essen. Ein Klacks: schnell zu Google Mobile, "hungarian railway" eingegeben, dann noch die Felder Honnan, Hova, Mikor (Woher, Wohin, Wann) mit Strurovo, Budapest und dem Datum ausgefüllt und zack! Alle Fahrten des Tages nach Budapest waren auf dem kleinen Bildschirm übersichtlich aufgelistet.


An dieser Stelle noch mal ein Orden für Bertolt: Für die Kaufempfehlung für das Nokia 6680, ohne das ich hier nicht leben könnte!

Das blöde war nur, dass es gar kein Essen zum Zahlen gab. Die Slowaken sind nämlich noch viel weniger serviceorientiert als die Ungarn. Nachdem wir den Kellnern auf dem wunderschön gelegenen Restaurantschiff gegenüber der Kathedrale von Esztergom 20 Minuten beim leicht verpeilten hin- und herrennen zugesehen hatten und noch nicht mal unsere Getränke hatten, beschlossen wir, das Menü wieder abzubestellen und uns gleich um ein Taxi zum Bahnhof zu kümmern. Das war weise, denn den Zug haben wir dann gerade so bekommen. Es hat nämlich auch einige Zeit gedauert, bis ein Taxi kam.

Ein paar unangenehme Neuerungen:
  • Bei California Coffe gegenüber haben sie einen Tarif für's Internet eingeführt. Statt umsonst gibt es das jetzt für einen Forint per Kennung und Passwort zu einer Bestellung dazu. Gut, dass die nicht die Punks aus der Nachbarschaft auch noch umsonst surfen lassen wollen, versteh ich. Aber die Downloads scheinen jetzt nach eineiger Zeit abgebrochen zu werden und ein FTP-upload geht gar nicht mehr. Sprich: Ich kann hier nicht mehr arbeiten.
  • Die Tram auf der Ringbahn ist wegen umfangreicher Umbauten unterbrochen! Es gibt nur noch Ersatzverkehr bis zum Blaha Lujza tér. Und wenn das hier auch nur ansatzweise so läuft wie in Berlin, dann sind die Zeiten mit der Tram vor der Tür für mich ein für alle Mal vorbei...
Zum Abschluss etwas, das die deutsche Presse Euch nicht zeigt: die Kanzlerin so, wie man sie noch nie gesehen hat.

Samstag, April 15, 2006

Terror


Ostern ist hier... Zeit, mal ein paar Fakten über Ostern in Ungarn auf den Tisch zu bringen. Ostern wird hier natürlich groß gefeiert - Ungarn ist ein sehr katolisches Land, seit der gute St. Géllert damals für die Christianisierung sein leben liess. Mein liebster ungarischer Osterbrauch ist: Die Ungarn laufen am Ostermontag rum und bespritzen Frauen. Und zwar mit Wasser oder auch Eau de toilette. Im allgemeinen beschränkt sich das wohl auf Bekannte, bei Fremden kann man ja nie wissen, wie die reagieren. Allerdings ist Karfreitag hier kein Feiertag, so dass ich also gestern morgen um 8 frisch wie immer in der Ungarischstunde saß. Da hat mein Lehrer unter anderem erzählt, welche Version über den Aufstand von 1956 die ungarischen Kinder in der Schule zu hören bekamen.Im Wesentlichen lief es darauf hinaus, dass die Russen dankenswerterweise das Chaos in den Griff bekommen haben, das hier kurzzeitig herrschte, und dass alle dafür dankbar waren. Die russischen Schülerinnen haben dann erzählt, dass sie von '56 überhaupt nichts wissen durften. Nur die Propaganda-Version des Prager Frühlings war ein Thema.

A propos Propaganda: heute waren Martin und ich im Haus des Terrors, wo auch das schöne Bild entstanden ist. Das ist ein Museum, dass seinerzeit von Orban Viktor eröffnet wurde. Das Gebäude war zuerst Hauptquartier der Pfeilkreuzler und dann nach dem Krieg der Sitz der ungarischen Staatssicherheit. Die Ausstellung beschäftigt sich mit der Herrschaft der Nazis/Pfeilkreuzler und der Kommunisten. Schon aus der Gestaltung der Fassade (siehe oben) wird eines der Ziele deutlich: die Kommunisten sollen auf eine Stufe mit den Nazis gestellt werden. Dazu passend liegen in der Caféteria auch viele Zeitschriften herum, aber nur die rechten Blätter. Ich habe selten so eine laute, poppige und tendenziöse Ausstellung gesehen. Da wird mit Effekten geklotzt, dass es nur so kracht. Information dazu bekommt man dann auf ausliegenden Zetteln. Na ja, trotz allem habe ich einige interessante Sachen über die ungarische Geschichte gelernt.

Martin ist, wie gesagt, jetzt hier und kocht gerade, während ich diese Zeilen schreibe. So ist es brav! Hier sehr ihr das erste Foto am Ferihegy. Dummerweise habe ich die Ankunftsszene dadurch vermasselt, dass ich 10 Minuten zu spät kam. Der Flughafenbus (den ich mit einer Horde pöbelnder Besoffener teilte) brauchte nämlich länger, als ich dachte.


Ach so, noch etwas zum lachen: das ist wirklich die verbotenste Werbung der Welt. Also, schöne Ostern weiterhin!

1 Kommentare:

Blogger SNAKE HUNTERS meint...

TERROR?

Munich, 1972

www.lazyonebenn.blogspot.com

15.4.06  

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Donnerstag, April 13, 2006

Sven Väth!

Mein Nightlife-Lichtblick wird konkret: am nächsten Samstag legt Sven Väth in Budapest auf, und ich geh hin! Das war mir schon klar, seit ich letzte Woche das Plakat gesehen habe. Heute wurde es sogar noch besser: die bezaubernde Diána kommt mit. Das ist die nette junge Dame, über deren Englisch ich in Berlin so froh war. Mit ihr habe ich per Telefon die Wohnung klargemacht. Heute habe ich die nächste Miete bezahlt, und wir kamen auf das Nachtleben im allgemeinen zu sprechen. Sie wollte mir erst nicht glauben, dass es in Berlin besser sei, als in New York. Dann fiel uns beiden auf, dass wir zu Sven Väth gehen wollen, und jetzt gehen wir zusammen! Georg wollte auch mit. Hach! Etwas suspekt ist mir nur, dass der Club keine Website hat. Hyperspace. Na ja, mit den Namen sollten die sich hier nich mal was einfallen lassen. Ich hoffe, wir kriegen noch Karten! Jippie! So ein Lichtblick tut gut, nachdem ich die ganze Woche nur Paper schreibe und über exakte Matchings in Graphen mit rot-blau-gefärbten Kanten nachdenke. Mein alles überstrahlender Lichtblick ist natürlich nach wie vor, heute abend Martin vom Ferihegy abzuholen.


Ich muss jetzt nochmal auf die Budapester Verkehrsbetriebe zu sprechen kommen. Die sind ja wirklich toll, sogar in der Nacht kommt alle zehn Minuten ein Bus, der mich genau so schnell wie die Tram von der Uni nach hause bringt. (Dass es da drin dann nach Kotze stinkt, ist bestimmt nicht deren Schuld.) Aber mein konkretes Thema sind eigentlich: die Kontrolleure. Die sind ulkig. In Tram und Bus tauchen die niemals auf. Dafür aber in der U-Bahn. In Budapest ist es so, dass ein Einzelfahrschein nicht zum Umsteigen berechtigt. Das verpeilen viele Touristen, weshalb sie lohnendes Ziel für Kontrollen sind. Die 7 oder 8 Euro, die es Strafe kostet, haben die eh locker sitzen. Also rotten sich die Kontrolleure logischerweise am einzigen Umteigebahnhof - Deák Ferenc tér - zusammen. Genau da ist meine Sprachschule, also bin ich da jeden Morgen. Ich habe zu dem Thema mal ein paar Guerilla-Shots vorbereitet. (Ich bin davon ausgegangen, dass die sich nicht so gerne fotografieren lassen bei ihrer Arbeit.)



Die armen Kerle stehen echt immer, immer, immer da. Und immer in einer größeren, gelangweilt aussehenden Gruppe. Meistens heißt es dann "Ticket control" auf englisch. Ich weiß nicht, wie man so einen Job überstehen kann. Es gibt aber Leute, die hier schlimmer dran sind: die Zettelverteiler. Das ist hier irgendwie der Billigjob Nummer eins. Die stehen in der Innenstadt überall. Ich versuche schon immer geflissentlich, keine Hand frei zu haben, aber diese Leute sind hartnäckig. Die scheinen nach verteilten Zetteln bezahlt zu werden. Das ist hier ofensichtlich als Marketinginstrument der letzte Schrei, wobei ich ir nicht vorstellen mag, wieviele Tonnen sinlos bedrucktes Papier das ist. Das lesen doch höchstens 10% der Leute!

Es gibt hier natürlich dann noch jede Menge Leute, die schlimmer dran sind als U-Bahn-Kotrolleure und Zettelverteiler, weil sie gar keine Arbeit haben oder gar obdachlos sind.

Mit dieser nachdenklichen Note wünsche ich allen frohe Ostern!

1 Kommentare:

Blogger Unknown meint...

http://de.wikipedia.org/wiki/Kontroll

Dürfte Dir gut gefallen :-)

15.8.08  

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Mittwoch, April 12, 2006

Kein Leben

Ouh mann, im Moment ist das echt kein Leben... sitze immer noch in der Uni und arbeite an dem Paper, das am Samstag eingereicht werden soll. Warum ich dann heute schon so lange arbeite? Na weil morgen Martin kommt und ich mit dem gröbsten durch sein will! Freue mich schon total. Hier seht ihr mal auf einem Bild, wie mein Büro aussieht und wie die Aussicht ist. Ist das nicht große Fotokunst? Obwohl es natürlich nicht mein Büro ist, sondern das von Andras Prekopa...

Ganz wichtig: ich habe jetzt nochmal die Seite ein bißchen geändert, und es so eingestellt, dass Kommentare auch hier erscheinen und sichtbar sind... vielleicht macht so ein visuelles Feedback ja etwas mehr Lust drauf zu kommentieren, sonst komm ich mir ja manchmal wie auf einer autistischen Veranstaltung! Ihr könnt mir natürlich gerne auch ab und zu mal ne Mail schreiben oder so... Dank an dieser Stelle an Kristof, dass er diese wichtige Frage gestellt hat, warum das hier niemand kommentiert (siehe Kommentare zu meinem letzten Post.)

Das Wichtigste in aller Kürze: der Ungarischkurs ist doch nicht so ein Reinfall. Am Dienstag waren die beiden anderen Schülerinnen da und haben das Niveau deutlich gesteigert. Dascha, die Ukrainerin, ist sogar ziemlich fit. Die erinnert mich total an Randa. Sie arbeitet auch als Restaurateurin! Ich hätte sie so gerne als beste Freundin, aber sie beachtet mich nicht... gestern habe ich mir aber wieder einen geleistet, als ich meinte, dass die U-Bahn in Budapest nicht so teuer sei. Meine Mitschülerinnen schrien alle auf, "Was? 6.800 Ft ist doch total teuer!" Für mich waren das halt ca 25 €, fand ich doch fast geschenkt für n volles U-Bahnticket... Na, ich kam mir dann wieder n bißchen blöd vor, weil ich den Moneten-Wessi habe raushängen lassen und vergessen habe, dass im Ostblock nun mal andere Verhältnisse herrschen...

So, die Konzentration reicht nur noch für ein paar Schnipsel:
  • Heute habe ich mich zum ersten Mal gut gefühlt, obwohl ich um sieben aufgestanden bin. Ich glaube, ich gewöhn mich da schon dran!
  • Dass die Fluchtwege in der Uni verriegelt sind und man nur mit Code-Karte rauskann find ich total gefährlich!
  • Jede Nacht um zwölf spiele alle ungarischen Radiosender (die ich bisher gehört habe) die Nationalhymne. Und die ist so schön!
  • Ich lese jetzt nicht mehr Kiskegyed, weil mir die ungarischen Stars doch zu blöd sind. Das fühlt sich so an, wie gedrucktes Big Brother oder so. Meine jetzige Lieblingslektüre: metro, die kostenlose U-Bahn-Zeitung. Die ist nicht so schwer geschrieben, bringt auch etwas Politik, und ich muss nichts dafür bezahlen! Außerdem liegt sie praktischerweise morgens in der Sprachschule aus.
  • Soundtrack of now: Isolée "Western Store" Gross- gross- grossartige elektronische Musik! Wenn auch so ne Art Best-of-Album, aber wenn das Beste eben alles Top ist, soll's mir mehr als recht sein.
  • Und meine Lektüre: "Line of Beauty", Hollinghurst. Das verschlinge ich geradezu, auch wenn ich schon hundemüde bin und ins Bett falle. Danach kommt aber was ungarisches, habe ich mir geschworen! Auch wenn's eigentlich noch nicht geht.
Gute Nacht und kommentiert fleißig! Ich muss jetzt mal nochmal 20 min weitermachen... und dann ab in die Heia.

1 Kommentare:

Anonymous Anonym meint...

Ha, das ist ja interessant mit der Nationalhymne. Die Deutschen sind da mal wieder etwas komplizierter. Bei uns im Deutschlandradio läuft nämlich gerade eine heiße Diskussion darum, ob die Nationalhymne, die täglich um 23:58h im Deutschlandfunk läuft, noch zeitgemäß ist, ob sie abgeschafft werden soll oder welche Version gespielt werden soll. Ich bin schon gespannt auf die ungarische Hymne, die ich mir dann im Juni reinziehen werde.
Swea

13.4.06  

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Montag, April 10, 2006

Der Tag, an dem das Wasser weg war

So sieht es also aus, wenn sich ein Fluss verkrümelt. Das obere Bild habe ich am Samstag geschossen, da kam die Leitplanke der Uferstraße (rakpart) schon wieder raus. Man sieht im Hintergrund da ungarische Nationaltheater und die Lagymanyos híd, grauselige Architektur. Vor allem die Brücke - da Nationaltheater hat die kitschige Eigenschaft, dass es nachts funkelt. Na ja, wenn das muss... unten sieht man dann die Bilder von heute: alles wieder klar, die Stadtreinigung putzt noch, und dann können die Straßen morgen oder übermorgen wieder befahren werden.
Das Hochwasser geht also pünktlich zur Wahl zurück. Ich habe gestern den ganzen Tag zuhause gesessen und gearbeitet und nebenbei inforadio.hu gehört. Nachdem ich ungefähr vier Stunden lang dieselben Nachrichten immer wieder gehört hatte, hatte ich sogar ungefähr eine Ahnung von dem Ergebnis. Wir könnten Zeugen des historischen Ereignisses werden, dass eine demokratische Regierung in Ungarn wiedergewählt wird: Igen, die MSZP hat gewonnen. Die Fidesz liegt knapp dahinter und - für viele Ungarn wichtig - beide kleinen Parteien sind weiter drin.

Allerdings gibt es noch einen zweiten Wahlgang. Das ungarische Wahlsystem ist zum Teil an das deutsche angelehnt - also ziemlich kompliziert. Im Prinzip funktioniert das wie bei uns, also mit Erst- und Zweitstimme und Landeslisten. Der Unterschied: in zwei Wochen wird ein zweiter Wahlgang fällig (und das ist hier immer so), in dem in den Wahlkreisen, in denen kein Direktkandidat die absolute Mehrheit bekommen hat, nochmal die Erststimme vergeben wird. Allerdings sind dann die Kandidaten raus, die im ersten Durchgang sehr wenig Stimmen hatten. Dann wird über die Liste so aufgefüllt, dass das Sitzverhältnis gemäß den Erststimmen gilt. Es gibt auch eine Art Überhangmandate, und: auf irgend eine Tour werden auch die Erststimmen des ersten Durchgangs noch gezählt, die für einen unterlegenen Kandidaten vergeben wurden, weil die ja " verschenkt" waren. Wie genau, konnte mir kein Ungar erklären. Und das, obwohl ich mit einigen über die Wahl, das Ergebnis, und das System heute gesprochen habe.

Um es also kurz zu machen: beide Kontrahenten (Gyurcsány und Orbán) haben noch eine Chance, aber die Fidesz müsste im zweiten Durchgang einen Erdrutschsieg hinlegen, woran offensichtlich nur noch deren Anhänger glauben wollen. Nichtsdestotrotz heißt die Parole der Fidesz: wer zuletzt lacht, lacht als letzter. Ja, so sagt man das hier - wörtlich übersetzt - in Ungarn.
Genau da Thema: Ungarisch. Heute hat das geregelte Leben angefangen! Das heißt: ich stehe jeden Morgen um 7 auf und gehe erstmal 2 Stunden zum Ungarischkurs. Heute war das erste Mal - und ich hatte ja etwas Schiß, das das Niveau zu schwer ist. Ich komme also dahin und bin der erste. Um kurz nach Acht kommt der Lehrer mit einer weiteren Schülerin und schließt erstmal die Tür auf. Ich setze mich also mit der Frau da rein. Schon ihr "Hello" (sagt man auch in Ungarn) klingt eher Profimäßig. Da fragt sie mich auf einmal was, und ich versteh eher Bahnhof. Kalter Schweiß bricht aus. Dann sagt sie noch irgendwas, das ich gerade so parieren kann, und ich frage sie, woher sie kommt. Innerlich denke ich schon: na toll, da hast du dir wohl sonstwas eingebildet, und jetzt sind das hier alles voll die Profis. Die schmeißen dich gleich aus dem Kurs. Da sagt sie auf einmal, dass sie nur Assistenzlehrerin ist und der Stunde zuschaut. *Schweiß abwisch*

Die Mitschüler kamen dann etwa später... das Gute: kein Deutscher. Bislang eine Kroatin und eine Russin. Das Blöde: deren Niveau scheint unter meinem zu liegen. Die kriegen keinen ordentlichen Satz raus und ich war da vom Level deutlich weiter. Mist! Kann mir jemand, der davon Ahnung hat, bitte nochmal sagen, wie das Lernpsychologisch ist? Lernen die Guten in einer Gruppe besonders viel, oder ziehen die die Schlechten mit und leiden darunter? Den Kurs zu wechseln wäre ziemlicher Heckmeck, aber wenn mein Eindruck in drei Tagen noch derselbe ist, sprech ich mal mit dem Lehrer. Der Lehrer selbst scheint OK. Aber er zieht den Mädels die meiste Zeit die Würmer aus der Nase und ist schon froh, wenn die ein Wort wissen. Die Grammatik korrigiert er nur manchmal - und gerade das brauch ich doch jetzt!
Bleibt noch zu erwähnen, dass heute der Schornsteinfeger bei mir war. Ihr erinnert euch? Második értesítés? Das war aber relativ locker, weil ich - glaube ich - gar keinen Kamin habe. Da steht zwar ein Kachelofen, aber der muss dysfunktional sein, ich heize mit Gas. Also musste der nur zwei Formulare ausfüllen, die ich jeweils zweimal unterschreiben musste und von denen ich einen Durchschlag bekommen habe. Auf meine Frage, was ich mit dem Wisch tun soll, meinte er nur: eltenni. Gut weglegen. und schien verwundert, warum man einen Akt der Bürokratie auch nur ansatzweise in Frage stellen sollte. Ja ja, die Ungarn...

2 Kommentare:

Anonymous Anonym meint...

wieso nutzt eigentlich niemand diese kommentarfunktion, um der perle, die zur zeit in der perle an der donau wohnt, zu schreiben?
komm gesund wieder, deine olfe braucht dich!
kristof

11.4.06  
Anonymous Anonym meint...

Hallo Hans,

wechsel den Sprachkurs, unterfordert sein ist noch schlimmer als überfordert sein, und das bei deinem sprachaffinen Superhirn.

Gruß, die Linguistin

12.4.06  

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Samstag, April 08, 2006

Room with a View

Gestern habe ich - glaube ich - echt den großen Wurf gemacht: ich habe jetzt ein Büro mit Blick auf die Donau! Das ist doch viel besser als der Innenhof, oder? Ich habe mich gestern auch wieder in Computerenthaltsamkeit geübt, mich von den Fluten der Donau in Tranceartige-Mathezustände spülen lassen und tatsächlich noch eine Übungsaufgabe von András gelöst! Jippie! Der einzige Haken an der Sache: das ist das Büro von Professor András Prékopa. Der ist zwar in den USA und höchstens zweimal im Jahr in Budapest, aber wenn er kommt, dann wird es ungemütlich. Das weiß ich von meinem holländischen Kollegen Dion, der das Glück hatte, in eben diesem Büro zu sitzen, als Mr Prékopa zu seiner Weihnachtsvisite kam. Dion wurde wohl ziemlich angeblafft und hatte zwei Minuten Zeit, sein Zeug da rauszuschaffen und aufzuräumen.

Gestern war meine letzte Ungarischstunde mit Zita... sie war wieder reizend und hat mir auch erlaubt, ein Foto von ihr zu machen. Am Schluss hat sie sogar gesagt, dass ich eigentlich nur zwei Fehler regelmäßig mache: indefinite Konjugation vor Objektnebensätzen und dritte Person Singular der Vergangenheit ohne Bindevokal. Fand ich ja bezaubernd von ihr. War aber bestimmt heftig untertrieben. Na ja, am Abend habe ich gleich noch ein bißchen geübt, mit ungarischen Bekannten von dem Französischen Kollegen von mir. Dabei ist mir aufgefallen, dass meine Sprachkenntnisse nicht ausreichen, um Ironie zu verstehen... Mann! Na ja, ab nächsten Montag geht das geregelte Leben erst richtig los. Dann heißt es jeden Morgen von acht bis Viertel elf: magyaróra... ich frag mich, wie ich das schaffen soll, wo ich in dieser Woche
kein einziges Mal vor halb zehn aus dem Bett gekommen bin.

Donnerstag, April 06, 2006

Gelb Baby

Heute habe ich endlich festgestellt, wie ich es schaffe, mehr Zeit auf Mathematik zu verwenden. Es gibt zwei ganz billige Tricks:
  1. Tür zu
  2. Computer aus
Es ist so einfach! Die Tür hatte ich eigentlich nur zu, weil Laci heute im selben Zimmer saß und das so wollte. Die Entscheidung, meinen Computer erst anzuschalten, wenn ich mathemäßig was geschafft hätte, habe ich schon vorher getroffen. Das hat dann leider dazu geführt, dass es jetzt viertel vor neun ist, bis derLüfter mal brummen darf. Dafür habe ich in der Zwischenzeit zwei von András' Übungsaufgaben geschafft. Warum ich bei der zweiten so scheißlange gebraucht habe, ist mir im Nachhinein nicht mehr klar. Ich habe zwischendurch immer wieder auf die Stelle im dicken gelben Buch geschaut, wo lapidar stand "by an alementary construction" und habe überlegt, wie kompliziert eine Konstruktion eingentlich sein kann, die noch elementar genannt wird. Bis es mir eben wie Schuppen von den Augen fiel. Es war wirklich einfach. Na ja, jetzt weiß ich, wann man einen Matroid mit k Basen überdecken kann. Ha!

Und damit haben wir mein heutiges Thema schon touchiert: gelbe Dinge, ohne die ich hier nicht leben könnte. Da gibt es drei:

1. Langenscheid Universal-Wörterbuch Ungarisch

Muss man wohl nicht viel zu sagen. Das Ding ist schon sowas von abgegriffen. Ich habe mir dann für zuhause zwei etwas größere, getrennte Deutsch-Ungarisch, Ungarisch-Deutsch Wörterbücher gekauft. Gestern ist mir aufgefallen: da steht drauf "Kleinwörterbuch Deutsch-Ungarisch". Kleinwörterbuch. Gut, auf Ungarisch steht da kisszótár, was wörtlich genau das heißt, aber da fragt man sich doch: Ist in der Redaktion dieses grünlichen Machwerks irgendjemand der deutschen Sprache mächtig? WC. (Wohl Caum).

2. Schrijver "Combinatorial Optimization"
Das ist es, das dicke gelbe Buch, das ich schon manchmal erwähnt habe. Das ist - bis auf ein paar Paper - das einzige, was ich im Moment hier brauche. Das Ding ist eine Art Bibel. Da steht in drei Bänden ungefähr alles drin, was man über kombinatorische Optimierung wissen muss. Je mehr ich darin lese, desto weniger glaube ich, dass der Autor menschlich ist. Obwohl Dion, einer meiner Kollegen hier, bei ihm promoviert hat und nur Gutes zu berichten wusste. Es ist mir einfach unbegreiflich, wie man das alles wissen und dann noch aufschreiben kann. Mein eintägiges Rumgekrepel heute entspricht ungefähr einer halben Seite da drin.

3. Villámos
... ist ungarisch und heißt Tram. Mit der fahre ich jeden Morgen und jeden Abend und oft auch zwischendurch. Sie fährt leider nur bis ca. 23h, also darf ich heute nicht zu lange weiterarbeiten. Gegen Abend wird das Publikum aber deutlich asozialer. Es ist aber noch nicht so schlimm wie die Dunstglocke der kollektiv-Fahne im Nachtbus. Nichtsdestotrotz: die Budapester Verkehrsbetriebe sind toll!

Extra Szűsz (András vs. Zita)

Nun ja, den Rest der Behördengänge habe ich heute - in suboptimaler Tagesform - passabel hinbekommen. Allerdings wird das eine knappe Sache: man sagte mir, dass meine Steuernummer "bestimmt" am 19. da ist. In der Uni-Personalstelle wiederum hieß es gestern, dass ich kein Geld für April bekommen kann, wenn sie nicht alles bis zum 20. haben. Das heißt: ich kann hoffen! Ich musste dann heute zum Finanzamt Budapest-Süd, und dort ist es keineswegs malerisch, sondern eher ostig. Siehe Foto.

Dann hatte ich meine zweite Audienz bei András, meinem Prof. Das dumme war nur, dass dann erst um halb zwei Zeit hatte, und ich um zwei Ungarisch bei Zita. Das Gespräch mit András ging bis um fünf nach zwei. Ich habe noch schnell bei der Sprachschule angerufen, also hat Zita immerhin gewartet. Aber aus meiner Doppelstunde wurde eine Zeitstunde. Ich weiß jetzt immerhin, dass der Weg zwischen Uni und Sprachschule nicht unter 25 Minuten zu bewältigen ist. Das hat mich an meine erste richtige Besprechung mit meinem Prof anlässlich meiner Diplomarbeit erinnert: das war damals um drei im ZIB, und ich hatte schlauerweise um vier in Charlottenburg ein Referat über den Zypernkonflikt mit meinem Freund Christian zu halten, der jetzt in Zürich ist. Ich musste also die Besprechung mit Grötschel (und zwei weiteren zukünftigen Kollegen) irgendwann abbrechen und schnell ein Taxi zur TU nehmen. Meine alte Planungsschwäche. Es ist ein echt blödes Gefühl, wenn man bei so einer Sache auf heißen Kohlen sitzt.

András hat sich also angehört, was ich so gemacht hatte, und mir noch ein paar Übungsaufgaben gegeben. Das heißt: Theoreme beweisen, die schon bewiesen sind... ich habe mal in das dicke gelbe Buch geschaut: zumindest einer der Beweise ist gerade mal fünf Zeilen lang. Das ist also das Level, auf dem ich stehe... *argh*. Ich habe aber den Beweis aus dem Buch nicht gelesen, ich soll ja selber drauf kommen! Außerdem hat András angeregt was ich eh schon vorhatte: am 24. halte ich einen Vortrag in der Arbeitsgruppe, und zwar über Funknetzplanung. Da werden die Boys endlich mal sehen, dass Theoreme nicht alles sind! Ich lege mir schon die ganze Zeit eine schöne Begrüßung auf Ungarisch zurecht, nach der ich dann ins Englische wechseln werde.

Ungarischtechnisch kommt es mir vor, als hätte ich gestern tatsächlich einen Durchbruch gehabt: ich bringe jetzt Sätze über die Lippen und mir fallen manchmal die richtigen Wörter ein! Jetzt muss es nur noch Mathetechnisch ähnlich werden. Hatte ich eigentlich erwähnt, dass ich im April drei Paper schreiben muss? Der restliche Publikations-Output für dieses Jahr. Deshalb spielt sich mein Leben momentan nur zwischen Uni, Sprachschule und häuslichem Schreibtisch ab... ist es nicht schon allein genial, das mein Blog sich trotzdem so liest, als hätte ich ein Leben?

Zum Schluss nochmal eine unglaubliche Erfolgsmeldung - auch auf die Gefahr hin, dass die meisten von euch nicht ahnen können, was das für jemanden, der Linux benutzt und einen Laptop hat, bedeutet: mein Laptop kann unter Linux einschlafen. Und: er kann auch wieder aufwachen! Ja! Auf einmal! Muss bei irgendeinem der jüngsten Updates passiert sein. Damit ist Linux bei mir jetzt offiziell besser zu benutzen, als Windows. OK, OK das sind an dieser Stelle Perlen vor die Säue... will den Laptop morgen eh nicht vor mittag anschalten, damit ich mal ordentlich Mathe mache!

Und ganz zum Schluss ein false friend auf der Olivenöl-Margarine-Packung. "Extra Szűsz" heißt nicht etwa, dass die Margarine süß ist. Nein, szűsz heißt "keusch". Der Sinn also: extra virgine. Wie der Italiener sagt. Sziastok!

Dienstag, April 04, 2006

Bürokratiekampftag "Carla Baars"


Ich wusste schon gleich heute morgen, dass es ein etwas anderer Tag werden würde. Als ich am Oktogon in die Tram steigen wollte, lief ich an Punks vorbei, die johlend mit riesigen Orangenen Fidesz-Schildern dastanden und bei jeder roten Ampelphase damit vor die wartenden Autos liefen. (Siehe Bild. Und bei der Gelegenhiet eine Info: wenn man auf die Bilder klickt, werden sie GROSS!) Was wollten diese Typen damit bezwecken? Das waren waschechte Punks, und die Fides ist hier im Prinzip so wie die CDU. Mit dem Unterschied, dass Angela Merkel dezent auf Terminschwierigkeiten verwies, als Viktor Orban mal anfragen liess, ob sie im Wahlkampf nicht mal mitmischen würde als ausländischer Ehrengast. Der Grund: die Fidesz ist ziemlich ins national-populistische abgedreht in der Opposition. In dieser Woche ist Viktor Orban großflächig auf dem Titelbild eines augenscheinlich eher rechten Magazins mit dem sinnvollen Satz: "Es muss einen Ort geben, an dem nichts wichtiger ist, als die Ungarn." Hallo? Sinn?

Ungarn ist auf jeden Fall ein Ort, an dem wenig wichtiger ist als die Bürokratie. Und das habe ich heute am eigenen Leibe erfahren. Eigentlich meinte Tamás gestern nur, dass ich heute meinen Arbeitsvertrag unterschreiben sollte. Was ich da noch nicht ahnen konnte: ein Bürokratiemarathon kam auf mich zu. Bürokratie passt zu Ungarn wie die Faust aufs Auge. Für jeden noch so kleinen Mist braucht man zwei Anträge, vier Belege (Originale und Kopie) und muss sieben Mal unterschreiben. Auf dem Weg in die Univerwaltung erklärte mir Tamás dann, dass Ungarn zwar bürokratische Regeln liebt, aber: diese Regeln sind meistens so kompliziert, dass man sie gar nicht einhalten kann. Deshalb gibt es immer einen Weg, unüberwindbare Hürden zu umgehen. Ein Beispiel: statt einer beglaubigten Übersetzung der Bescheinigung des Finanzamtes Berlin-Kreuzberg, dass ich in Deutschland steuerpflichtig bin, hat Tamás einfach eine eigene Übersetzung beigelegt. Der Schelm! Das ist zwar gegen die Regeln, aber eine offizielle Übersetzung hätte nochmal eine Woche gedauert... Die Stationen meines Bürokratiekampftages seht ihr auf dem Bild links. Die 0 steht dabei für mein Büro. (Informatiker fangen immer bei Null an zu zählen.) Ich musste dabei bei jeder Station, von der ich letztendlich irgendeinen Wisch bekommen habe, den Mädchennamen meiner Mutter nennen. Das ist hier in Ungarn so üblich. Um so merkwürdiger, dass Frauen ihren Namen bei der Hochzeit ganz und gar aufgeben. (Auch den Vornamen!) Deshalb also: Bürokratiekampftag "Carla Baars".

1. Fakultätsverwaltung, Campus (10:45)

Das war noch das einfachste. Ich hatte ja alle Papiere dabei. Wir mussten nur 10 Minuten warten, bis die Sekretärin fertig telefoniert hatte, dann unterschrieb ich ungefähr viermal, die Frau bekam 5 Dokumente und gab mir 7 andere zurück. Vorsorglich hatte ich mir noch eine Dokumentenmappe mitgenommen, in einer Art Vorahnung. Wenn mir der Packen auf der Petőfi-Brücke vom (ganz schön starken) Wind aus der Hand gerissen worden wäre, dann hätte ich gleich hinterherspringen können. A propos Brücke: die Donau läuft bald über. Sie steht schon wieder höher als gestern. Ja, das ist eine Ampel in der Bildmitte.

2. Personalabteilung der Uni, Szerb utcá (11:45)

Weil die Tram wegen Hochwasser nicht fuhr, sind Tamás und ich auch den Rest gelaufen. Auf dem Foto seht ihr Tamás in der Univerwaltung. Unterwegs hat er mir dann erklärt, was das Nash-Williams-Theorem ist, und warum er es auf Hypergraphen verallgemeinern will. Abgefahren. In der Univerwaltung war es schon leicht Kafkaesk. Uns hat eine reizende ältere Dame bedient, in deren übergroßer Amtsstube permanent ein uralter, aber umso größerer Nadeldrucker ratterte und irgendwas auf so eine riesige Endlospapier-Rolle ausdruckte. Zwei Probleme kristallisierten sich heraus: a) die Uni überweist nicht ins europäische Ausland, und b) ich brauche eine ungarische Steuernummer. Wegen a) wurde allerdings noch die Chefin (Hauptsachbearbeiterin?) konsultiert, die wiederum ihren Chef anrief. Ich habe nebenbei Tamás - der das Wort für die antragstellende Partei führte - nachdrücklich und wiederholt auf Englisch zugezischelt, dass wir doch hier in der EU sind. Ob Ungarn dafür wirklich reif war? Dass er insistieren soll, das muss gehen! Dass ich die Uni auf Einhaltung europäischer Verwaltungsvorschriften verklage... er meinte nach einer Weile nur lapidar, dass das hier nicht so läuft. Da war ich dann leise. Ich ärgerte mich zuerst sehr, dass ich jetzt auch noch ein ungarische Konto eröffnen musste. Was ich aber nicht wusste: das würde das Highlight des heutigen Tages werden. Dazu unten mehr.

3. Meine Wohnung, Teréz körut.

Okay, hier habe ich nur kurz was gegessen und außerdem meinen Reisepass und Mietvertrag mitgenommen. Das zählt nicht wirklich. Ich brauchte aber auch eine Stärkung, denn Tamás war wieder ins Büro zurückgefahren, und ich war ab sofort auf mich allein gestellt. Für den Fall von unüberwindbaren Problemen hatte ich immerhin seine Handynummer dabei.

4. Kasse der Sozialversicherungsanstalt, Teve utca (13:15)

Das war mal ein modernes Amt! Die Wartenummernsysteme sind übrigens überall in Ungarn vorbildlich: man zieht die Nummer meistens an einem ultramodernen Touchscreen-Gerät, wo man gleich eines aus mehreren möglichen Anliegen auswählt. Lange warten musste ich auch nicht. Die Frau bekam ungefähr vier Dokumente, kopierte meinen Reisepass und meinen Personalausweis (die Kopie musste ich unterschreiben) und fertigte mir dann meinen Sozialversicherungsausweis an. In der Zeit musste ich ein Formular ausfüllen (und zweimal unterschreiben) - unter anderem war wieder der Mädchenname meiner Mutter gefragt. Die Ungarn sind sowas von verliebt in Unterschriften. Neulich habe ich gesehen, wie der Prof hier Reiseabrechnungen abgezeichnet hat. Das ist nicht nur eine Unterschrift, nein! Da wird jeder einzelne Beleg unterschrieben. Jedes BVG-Ticket. Alles. Krank!
Zum Glück haben die Damen dort statt meiner ungarischen Meldebestätigung meinen deutschen Ausweis akzeptiert (ob das ein kleiner Umweg um die Vorschriften oder legal war, weiß ich nicht). Ich konnte dann also nach nur ca. einer halben Stunde mit Sozialversicherungskarte wieder abziehen. Ich war mir nur etwas unsicher, ob ich eventuell aus Versehen zuviele Dokumente dort gelassen hatte und bei den nächsten Stationen zuwenig hätte.

5. Finanzamt Budapest Süd, Haller utca (14:30)

Davor hatte ich etwas Schiss, den Finanzämter sind ja in Deutschland schon nicht nett, und ich wußte nur, dass ich eine Steuernummer brauchte, aber nicht, welche Dokumente dazu nötig sind. Hier habe ich immerhin den folgenden ungarischen Dialog mit dem Pförtner zustande bekommen:
- Guten Tag, sie wünschen?
- Guten Tag. Ich benötige eine Steuernummer.
- Da müssen sie morgen wiederkommen, die haben heute schon zu. Sie müssen aber in das andere Gebäude, in der Vapukas út, um die Ecke.
- Wie sind denn die Öffnungsschulden dort?
- Von Viertel neun bis fünf.
- Vielen Dank, auf Wiedersehen!
- Wiedersehen.
Okay, dass mir statt nyítvartartás, Öffnungszeiten, nyítvatartozás, Öffnungsschulden, leichter über die Lippen ging ist doch ein verzeihlicher Lapsus. Er hatte es ja verstanden. Und es kam mir auch komisch vor, so dass ich - kaum aus der Tür raus - nochmal im Wörterbuch nachgeschaut habe.

6. K&H Bank Filiale, Ferenc körut (15:00)

Also, ein Konto musste ich eröffnen. Wer hätte geahnt, dass das das beste am ganzen Tag würde? Mich bediente Zsófia, und das ist eine sehr, sehr gute Ungarin gewesen. Sie hat während des ganzen Vorganges nur einmal ein englisches Wort benutzt (money laundry, um zu erklären, wogegen ich den 12. Wisch unterschreiben musste). Der Rest ging komplett auf Ungarisch! Wenn ich irgendetwas nicht verstanden hatte, hat sie das meist schon selber gemerkt, und es mir nochmal in einfacheren Worten erklärt. Das war so geil! Es waren auch nur zehn Zettel, die ich unterschreiben musste, und zwei Dokumente, die sie sehen wollte (Pass und Führerschein). Die Zettel natürlich in doppelter Ausführung, also zwanzig Unterschriften. Und auch sie fragte nach dem Mädchennamen meiner édesanyám. Das ist so niedlich im Ungarischen, denn édes heißt "süß", und man nennt jemandes Mutter dann "süße Mutter". Das heißt, Zsófia sagte wörtlich zu mir: "Bitte nennen sie mir den Namen ihrer süßen Mutter."

Mit einer Mappe voller neuer Dokumente und um einige Dokumente erleichtert zog ich also zufrieden und euphorisiert ob der jüngsten Sternstunde meines Ungarisch-Gebrauchs über die Petőfi-Brücke und die rauschend überbordende Donau zurück ins Büro. Morgen muss ich nur noch ins Finanzamt, und dann, wenn die Steuernummer da ist, nochmal zur Personalstelle. Und morgen hab ich wieder Ungarisch bei Zita. Kann's gar nicht erwarten, ihr von meinem Durchbruch zu erzählen!

Montag, April 03, 2006

Voom Voom Peng Peng

Ich habe im Radio gehört, dass Orbán Viktor - der Kandidat der Fidesz - gestern einen vierstündigen Redemarathon vorhatte. Das ist ja wie bei Castro! Daraufhin habe ich Abstand von dem Plan genommen, auch zum konservativen Massenaufmarsch zu gehen. Um das Bild der politischen Landschaft Ungarns zu vervollständigen: es gibt außer MSZP und Fidesz noch zwei Nennenswerte Kräfte: die Liberalen (SZDSZ) und das demokratsche Forum (MDF) . Dieses Mal besteht laut meinem Kollegen Gyula allerdings die Gefahr, dass nur noch die beiden großen Parteien im Parlament landen.

Ich bin dann lieber zur Uni und habe ein bißchen gearbeitet. Teilerfolge: habe WLAN unter Linux wieder zum Laufen gebracht, und daraufhin sogar Skype! Auf dem Bild oben ist der Blick aus meinem Bürofenster... etwas trist, aber das Gebäude ist eigentlich ganz schick! Das Hochwasser erreicht fast Rekordhöhe, mittlerweile sieht man von den Uferstrassen der Donau keine Spur mehr. Es treibt soviel Dreck in der Brühe, zum Teil ganze Bäume. Gruselig wurde es gestern, als gegen 22h auf einmal aus lauter Lautsprechern im Unigebäude Fernsehton plärrte, auch in meinem Büro. War das das höfliche aber bestimmte Signal der Wachmannschaft, dass sie jetzt eigentlich keinen mehr im Gebäude haben wollen? Ich bin dann lieber schnell gegangen, zumal dann das Licht auf dem Gang und in den Treppenhäusern ausging. Muss dringend mal rausfinden, was es damit auf sich hatte.

Noch einen kurzen Nachbericht zum Wochenende: also die Budapester Clubszene hat den Vorteil, dass es sie gibt. Dabei wollen wir es mal belassen. Über Musik und Transenshows breite ich den Mantel des Vergessens aus. Obwohl das Moulin Rouge (inklusive drehenden Mühlenflügeln davor) von der Location her nicht schlecht war: eine Art Kabarett-Theater mit Plüschsofas und Rängen, auf denen man auch tanzen konnte. Sieht man das auf dem Foto? Ich glaub, ich muss dringend mal für ne Digicam bei meiner treuen Leserschaft sammeln. Wie auch imer, ich war wegen meiner leichten Erkältung wohl nicht so recht in Partylaune und relativ früh zu hause. Endlich habe ich mir mal wieder etwas Zeit genommen, um nach Musik zu stöbern. Mein momentaner Liebling: Voom:Voom "Peng Peng". Ich weiß, es klingt bescheuert. Die Musik ist aber super!

So, und jetzt muss ich mich nochmal an diesen blöden Beweis ransetzen, den ich immer noch nicht raushabe. Das muss doch gehen! Die Ungarn hier sind alles solche Mathezombies. Da kommt man sich ganz blöd vor.

Samstag, April 01, 2006

Igen! Igen! Igen!

Heute fangen wir mit einem Suchbild an: wo bin ich auf dem Foto oben? Das ist ein Bild der großen Rallye der MSZP - Magyar Szocialista Párt; das sind hier die Sozialdemokraten. Und ich war dabei! Wenn ich ein ungarisches Wort gelernt habe, dann ist es Igen,"Ja". Die Veranstaltung war auf der Andrássy út, vom Oktogon bis zum Heldenplatz. Insgesamt waren es laut MSZP-Website über 300.000 Menschen. Sowas macht man in Deutschland ja gar nicht mehr. Auf dem Hinweg hat man mir gleich ein paar ungarische Fahnen aus Papier und eines dieser großen Schilder in die Hand gedrückt, auf denen "IGEN MSZP" steht. Ich hab mich dann an mehreren Großleinwänden mit Videoübertragung vorbeigekämpft, bis ich schließlich in Sichtweite der Bühne war. Und so sah das Programm dann aus:
  1. Volkstümliche Tänze zu flotter Geigenmusik
  2. Verschiedene Reden von Mitgliedern der Parteispitze. Offenbar gezielt ausgewogen in der Zusammensetzung: eine Frau, eine Oma, ein junger Mann, ein alter Mann. Nach dem, was ich verstanden habe, ging es die ganze Zeit um Gemeinplätze: Solidarität, Freundschaft, Zusammenhalt. Dazwischen immer wieder Kurzvideos mit Wahlwerbung. Allerdings haben die einen echt super Musikgeschmack: hinterlegt z.B. mit Chicane's "Offshore". Da schwelgte ich in Jugenderinnerungen!
  3. Rede von Hiller István, dem Parteichef. Er wurde auch per Video eingeführt, Hintergrundmusik: Coldplay. Die Rede war ein Knaller. Da habe ich sogar das meiste verstanden, denn er hat deutlich und langsam gesprochen und was er gesagt hat, war einfach gestrickt. Und die Leute links und rechts von mir sind abgegangen, das war echt krass. Es gab immer wieder Schlüsselstellen, zum Beispiel wenn er gesagt hat: "Unser Programm ist die Politik des Igen!" Daraufhin haben alle laut gejohlt und "Igen" geschrien und ihre Igen-Schilder geschwenkt. Hillers Aufgabe war es auch, über die Opposition zu lästern. Insbesondere auf die Negativkampagne, von der ich in meinem ersten Post geschrieben habe, ist er eingegangen.
  4. Feierliche Rezitation eines Gedichts von Petőfi Sándor, einem ungarischen Nationalheld. Der war bei der 1848-er Revolution ganz vorne mit dabei, und ist 1849 im Feld gegen die Habsburger gefallen. Das ist so ungefáhr der schmalzigste Griff in die Mottenkiste, der in Ungarn möglich ist. Überhaupt wurde mit Kitsch nicht gespart: 1848 wurde mehrfach erwähnt, außerdem bestand die Deko zu 99% aus ungarischen Nationalflaggen.
  5. Leichter Stimmungsabfall. Aus einem mir unerklärlichen Grund haben die die Darsteller von dem Musical "Hair" engagiert, das gerade in Budapest läuft. Die tanzten in komischen Hippie-Klamotten rum und sangen nicht weniger als vier Songs, darunter das zeitlose "Age of Aquarius".
  6. Der Igen-Song, eine Perle der Popmusik und mein neues Lieblingslied. Der Refrain geht:
    Igen! O-ho, igen! Igen!
    Magyarország, Magyarország, gyere hazzunk (?), Magyarország!
    Auf deutsch ungefähr:
    Ja! O-ho ja! Ja!
    Ungarn! Ungarn! Los, komm mit uns (?), Ungarn!
  7. Einmarsch von Gyúrcsány Ferenc, dem ungarischen Premierminister, zu den Klängen von Robbie Williams "Feel". Dazu ein Vorstellungsvideo, in dem ziemlich darauf rumgeritten wurde, dass Tony Blair die MSZP mal in Ungarn besucht hat. Scheint sich hier noch nicht rumgesprochen zu haben, dass der eine lame duck ist. Die Rede von dem guten Franz war aber etwas dröge. Außerdem hat er zu schnell gesprochen. Der ist also ungefähr so beliebt bei mir wie Orsi. Und so sah er aus: bátorság = Mut, biztonság = Sicherheit, igazságosság = Gerechtigkeit.
    Wobei letzteres wörtlich ungefähr "Wahrhaftigkeitlichkeit" hieße. Die spinnen, die Ungarn.
  8. Geordnete Auflösung der Menschenmenge zu den Klängen des Igen-Songs in Endlosschleife.
Morgen ist die Konkurrenzveranstaltung der Fidesz, und zwar auf dem Kossuth-Platz vor dem Parlament. Mal sehen, ob ich da im Sinne einer ausgewogenen Berichterstattung auch hingehe. Wahrscheinlich eher nicht, denn ich bin leicht erkältet und habe auch mein Tagwerk fürs Wochenende noch längst nicht erledigt.

Hier ist jetzt noch die richtige Zeit für einen kleinen inneren Fackelzug: gestern Abend im Rudas-Bad (das war übrigens großartig) habe ich mich mit Dion, dem holländische Kollegen, unterhalten. Dabei wurde klar, dass nicht nur bei mir alles etwas desorganisiert lief. Wir kamen dann auf die gemeinschaftliche Espressomaschine zu sprechen, und ich erwähnte, dass ich einen Schlüssel für den Schrank habe, in dem die steht. Da guckte er auf einmal wie ein Auto und wollte wissen, wie ich das gemacht habe. Er sei schließlich schon seit zwei Monaten hier und hat es mittlerweile aufgegeben. Der Trick: meine gute Beziehung zu Hédi, der Sekretärin, die leider kein Englisch spricht... da ging das innerhalb von zwei Tagen. Strike!

Damit verabschiede ich mich, heute geht's noch ins Moulin Rouge, man darf gespannt sein!