Samstag, April 22, 2006

Der Akkusativ von Nein

Oh Mann. Heute muss ich eigentlich meinen Vortrag für Montag fertig machen. Ich wollte die Sache so ungefähr jetzt in trockenen Tüchern haben. Stattdessen habe ich gerade erst angefangen. Dafür gibt es zwei Gründe:
  1. Die Batterien meiner Maus sind alle, und über das Touchpad kann man irgendwie nicht recht mit Powerpoint arbeiten.
  2. Ich habe einen Kater von gestern.
Ich glaube, 2. ist ausschlaggebend. Es ging aber auch nicht anders. Ich war mit einem neuen Bekannten und dessen Freunden in einer gewissen Bar mit kariert gekacheltem Badezimmer. Die Leute waren alle ziemlich nett. Leider sprachen sie aber untereinander meistens ungarisch, und obwohl ich ja Fortschritte gemacht habe, konnte ich da einfach nicht recht partizipieren. Es ist natürlich nicht so, dass ich ignoriert worden wäre, aber frustriert war ich doch etwas. Und da nimmt man bekanntlich gerne mal Alkohol zu sich. Irgendwann setzte sich obendrein noch Hermann neben mich. Das hat mir den Rest gegeben, denn er ist der Besitzer des Ladens; ich hatte ihn vor vier Wochen kennen gelernt und musste ab dem Punkt nur noch trinken, nicht mehr zahlen. argh Nun gut. Imerhin habe ich schon den Bytecode eines kleinen Applets zur Erklärung von CDMA dekompiliert und dann dafür gesorgt, dass die roten Linien in dem Bild unten dreimal so dick sind, damit man sie auch über den Beamer erkennen kann. Ich Held.


Gestern hatte ich auch eine erhellende Erkenntnis über die ungarische Sprache: immer mal wieder liest man hier Sachen, in denn mondd nemet xyz-hoz vorkommt. Das hat mich permanent verwirrt. Warum soll man "deutsch" zu diesem oder jenen sagen? Es stellt sich also raus, dass nemet mitnichten mit német, "deutsch", zu verwechseln ist. Vielmehr kommt es von nem, "Nein", und ist - nun ja - der Akkusativ. Das heißt also insgesamt: "Sag Nein zu xyz." Das lassen sich jetzt die linguistisch gebildeten Leser mal auf der Zunge zergehen: der Akkusativ von "Nein". Das klingt hirnrissig? Das macht keinen Sinn? Stimmt, denn "Nein" ist bestimmt kein Substantiv. Und wisst ihr, was an dem Gedankengang falsch ist? Es gibt keine Kasus in der ungarischen Sprache. Kasus sind ein Feature von indogermanischen Sprachen. Es gibt insbesondere keinen Akkusativ. Die ungarische Sprache ist eben nicht indogermanisch. Wenn wir in der Ungarischstunde lernen, dass man den Akkusativ mit -t am Ende bildet, dann ist das eine für die Vermittlung an Indogermanen aufbereitete Version der ungarischen Grammatik.

Vorsatz für's Ungarischlernen: alles in Frage stellen und nötigenfalls über Bord werfen, was ich aufgrund meiner indogermanischen Vorgeschichte voraussetze!

Ein weiteres Ergebnis meiner Selbstbeobachtungen ist, dass ich scheinbar eine infantile Phase durchmache. Habe mich gestern dabei ertappt, wie ich zuerst auf dem Weg zur Ungarischstunde Tocotronic hörte, und beim Text von "Ich habe Feuer gesehen" ganz ergriffen war vor lauter Poesie und dann bei "Michael Ende, Du hast mein Leben zerstört" fand, dass das einer der genialsten Texte überhaupt ist. Wie kindisch! Ich meine, ich gehe auf die 30 zu! In der Pause stand ich dann auf dem Balkon und rauchte und kam mir sowas von überlegen vor, weil ich gerade meine Email über's Handy checkte. Dabei habe ich eigentlich nur Spam gelöscht. Ist auch irgendwie kindisch.

Da Rauchen auf dem Balkon von Katedra, meiner Sprachschule, ist regelmäßig ein innerer Kampf zwischen Sucht und Angst: Der Balkon ist im fünften Stock. Er ist ca. 40 cm tief, und das Geländer ist aus Eisen und viel, viel, viel zu niedrig. Das trifft übrigens auf alle Geländer hier, z.B. in den Innenhöfen der Altbauten, zu. Da ich mich ja manchmal in Höhenangst reinsteigern kann und die Kante des Balkons außerdem so aussieht, als würde sie gleich abbröckeln, drücke mich also beim Rauchen permanent krampfhaft an die Wand und überlege, ob ich nicht doch lieber fünf Treppen runter und anschließend wieder hoch gelaufen wäre...



Eine Beobachtung über die ungarische Presselandschaft: es ist unglaublich, wie klar sich hier die Lager definieren. In Deutschland ist es natürlich so, dass man bei Zeitungen und Magazinen eine Tendenz darüber beobachten kann, welche politische Richtung von der Redaktion bevorzugt wird. In Ungarn kann sogar ich als Ausländer auf den ersten Blick erkennen, wo ein Magazin steht. Das ist nicht schwierig, ein Blick auf den Titel genügt: wenn Gyúrcsány Ferenc drauf ist, ist die Zeitung links, wenn Orbán Viktor drauf ist, ist sie rechts. So einfach. Der Titel von 168 óra heißt: Tovább, "mehr". Soll heißen: vier weitere Jahre für die MSZP-Regierung. Der Titel von HetiValasz lautet: együtt sikerülhet, etwa "zusammen kann es gelingen". Nämlich, dass die Fidesz unter Orbán doch noch im zweiten Wahlgang morgen die Lage umdreht und gewinnt. Ich finde das pervers und frage mich, ob die Ungarn keine objektive Berichterstattung wollen.

Fragen des Alltags:
  • Warum kommt das Wasser meistens weißlich-trüb aus der Leitung, und zwar in Alt- wie Neubauten?
  • Warum kann ich auf meinem Touchpad unter Linux mit zwei Fingern statt einem einen Rechtsklick hinlegen, aber für Windows gibt es keinen Treiber, der das unterstützt? Sollte das nicht anders herum sein?
  • Wie wird Sven Väth heute abend?
Ich werde berichten, wenn ich Antworten habe.

2 Kommentare:

Anonymous Anonym meint...

du hast einen grund vergessen, warum es mit deinem vortrag nur langsam vorangeht/ -ging:

"3. weil ich immer so lange blog-einträge schreibe"

aber du tust es ja nur für uns daheimgebliebene, du guter!!!

ich hoffe, du hast hermann von mir gegrüßt???

23.4.06  
Anonymous Anonym meint...

Also ich erinner mich nicht daran, dass Du mir in den letzten 25 1/2 Jahren, die wir uns kennen, jemals zum Namenstag gratuliert hast ;-)

5.5.06  

Kommentar veröffentlichen

<< Home