Igen! Igen! Igen!
Heute fangen wir mit einem Suchbild an: wo bin ich auf dem Foto oben? Das ist ein Bild der großen Rallye der MSZP - Magyar Szocialista Párt; das sind hier die Sozialdemokraten. Und ich war dabei! Wenn ich ein ungarisches Wort gelernt habe, dann ist es Igen,"Ja". Die Veranstaltung war auf der Andrássy út, vom Oktogon bis zum Heldenplatz. Insgesamt waren es laut MSZP-Website über 300.000 Menschen. Sowas macht man in Deutschland ja gar nicht mehr. Auf dem Hinweg hat man mir gleich ein paar ungarische Fahnen aus Papier und eines dieser großen Schilder in die Hand gedrückt, auf denen "IGEN MSZP" steht. Ich hab mich dann an mehreren Großleinwänden mit Videoübertragung vorbeigekämpft, bis ich schließlich in Sichtweite der Bühne war. Und so sah das Programm dann aus:
- Volkstümliche Tänze zu flotter Geigenmusik
- Verschiedene Reden von Mitgliedern der Parteispitze. Offenbar gezielt ausgewogen in der Zusammensetzung: eine Frau, eine Oma, ein junger Mann, ein alter Mann. Nach dem, was ich verstanden habe, ging es die ganze Zeit um Gemeinplätze: Solidarität, Freundschaft, Zusammenhalt. Dazwischen immer wieder Kurzvideos mit Wahlwerbung. Allerdings haben die einen echt super Musikgeschmack: hinterlegt z.B. mit Chicane's "Offshore". Da schwelgte ich in Jugenderinnerungen!
- Rede von Hiller István, dem Parteichef. Er wurde auch per Video eingeführt, Hintergrundmusik: Coldplay. Die Rede war ein Knaller. Da habe ich sogar das meiste verstanden, denn er hat deutlich und langsam gesprochen und was er gesagt hat, war einfach gestrickt. Und die Leute links und rechts von mir sind abgegangen, das war echt krass. Es gab immer wieder Schlüsselstellen, zum Beispiel wenn er gesagt hat: "Unser Programm ist die Politik des Igen!" Daraufhin haben alle laut gejohlt und "Igen" geschrien und ihre Igen-Schilder geschwenkt. Hillers Aufgabe war es auch, über die Opposition zu lästern. Insbesondere auf die Negativkampagne, von der ich in meinem ersten Post geschrieben habe, ist er eingegangen.
- Feierliche Rezitation eines Gedichts von Petőfi Sándor, einem ungarischen Nationalheld. Der war bei der 1848-er Revolution ganz vorne mit dabei, und ist 1849 im Feld gegen die Habsburger gefallen. Das ist so ungefáhr der schmalzigste Griff in die Mottenkiste, der in Ungarn möglich ist. Überhaupt wurde mit Kitsch nicht gespart: 1848 wurde mehrfach erwähnt, außerdem bestand die Deko zu 99% aus ungarischen Nationalflaggen.
- Leichter Stimmungsabfall. Aus einem mir unerklärlichen Grund haben die die Darsteller von dem Musical "Hair" engagiert, das gerade in Budapest läuft. Die tanzten in komischen Hippie-Klamotten rum und sangen nicht weniger als vier Songs, darunter das zeitlose "Age of Aquarius".
- Der Igen-Song, eine Perle der Popmusik und mein neues Lieblingslied. Der Refrain geht:
Igen! O-ho, igen! Igen!
Auf deutsch ungefähr:
Magyarország, Magyarország, gyere hazzunk (?), Magyarország!Ja! O-ho ja! Ja!
Ungarn! Ungarn! Los, komm mit uns (?), Ungarn! - Einmarsch von Gyúrcsány Ferenc, dem ungarischen Premierminister, zu den Klängen von Robbie Williams "Feel". Dazu ein Vorstellungsvideo, in dem ziemlich darauf rumgeritten wurde, dass Tony Blair die MSZP mal in Ungarn besucht hat. Scheint sich hier noch nicht rumgesprochen zu haben, dass der eine lame duck ist. Die Rede von dem guten Franz war aber etwas dröge. Außerdem hat er zu schnell gesprochen. Der ist also ungefähr so beliebt bei mir wie Orsi. Und so sah er aus: bátorság = Mut, biztonság = Sicherheit, igazságosság = Gerechtigkeit.
Wobei letzteres wörtlich ungefähr "Wahrhaftigkeitlichkeit" hieße. Die spinnen, die Ungarn. - Geordnete Auflösung der Menschenmenge zu den Klängen des Igen-Songs in Endlosschleife.
Hier ist jetzt noch die richtige Zeit für einen kleinen inneren Fackelzug: gestern Abend im Rudas-Bad (das war übrigens großartig) habe ich mich mit Dion, dem holländische Kollegen, unterhalten. Dabei wurde klar, dass nicht nur bei mir alles etwas desorganisiert lief. Wir kamen dann auf die gemeinschaftliche Espressomaschine zu sprechen, und ich erwähnte, dass ich einen Schlüssel für den Schrank habe, in dem die steht. Da guckte er auf einmal wie ein Auto und wollte wissen, wie ich das gemacht habe. Er sei schließlich schon seit zwei Monaten hier und hat es mittlerweile aufgegeben. Der Trick: meine gute Beziehung zu Hédi, der Sekretärin, die leider kein Englisch spricht... da ging das innerhalb von zwei Tagen. Strike!
Damit verabschiede ich mich, heute geht's noch ins Moulin Rouge, man darf gespannt sein!
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