Live aus dem Flugzeug
Italiener sind ja echt geil. Ich sitze gerade in der SkyEurope Maschine von Ferihegy nach Bergamo, und die ist natürlich voller Italiener. (SkyEurope ist Mitteleuropas erste Billigairline. Unten seht ihr mein Flugzeug.) In der Sicherheitskontrolle war so eine ältere Frau vor mir, die hat einfach ihr Handy nicht aus der Hand gelegt. Sie hat also die ganze Zeit gequatscht und gequatscht, bis sie irgendwann aufhören musste, weil das Handy natürlich auch durchleuchtet werden sollte. Da hat sie also kurz auf Italienisch gesagt: "warte mal eben", das Gerät aufs Band gelegt, um es hinten wieder in die Hand zu nehmen und weiterzuquatschen. Statt zu quatschen schlage ich jetzt die Flugzeit mal mit Schreiben tot. Wer weiß, wann ich das nächste Mal dazu komme auf dem Workshop!
Ich habe eine ganz tolle Nachricht, über die ihr euch sicherlich auch so freuen werdet, wie ich: endlich habe ich einen weißen, breiten, used-look Ledergürtel wie ich ihn schon seit Monaten suchte! Gefunden bei einem Laden im Westend, der Mall bei mir um die Ecke. Der Gürtel war leider zu lang, deshalb musste ich ihn kürzen. Dazu brauchte ich einen Schraubenzieher, und so habe ich endlich mal meine Nachbarn kennengelernt. Als ich klingelte, kam der Sohn an die Tür. Ich hatte ja zum Glück in dieser Woche in der Ungarischstunde gelernt, was "Schraube" heißt. Und da "Ziehen" sowieso auf der Hälfte der Türen steht und das Ungarische in der Lexik zu 98% genau so funktioniert wie das Deutsche, konnte ich direkt um einen Schraubenzieher bitten. (Natürlich hatte ich es zur Sicherheit vorher nochmal nachgeschaut.) Auf die Gegenfrage "Kreuz oder Schlitz?" war ich dann so spontan nicht vorbereitet (obwohl sie im Nachhinein betrachtet vorhersehbar war), so dass ich nur meinen tollen neuen Gürtel hochhielt und auf die Schraube an der Schnalle deutete und so etwa sagte wie "hier aufmachen ich müssen". Ich habe mir dann Zeit genommen, um den Gürtel ordentlich auf die richtige Länge zu bringen (es gibt nämlich nichts ärgerliches als einen etwas zu kurz geratenen Gürtel, ist mir letztes Jahr mit meinem Lufthansa-Meilen-Joop-Wendegürtel passiert). Als ich den Schraubenzieher zurückbrachte, war irgendwie die ganze Familie auf der Galerie, die sie in dem Bereich vor ihrer Wohnung gerne mal zum Balkonersatz umfunktionieren. Irgendwie hate ich das Gefühl, die waren neugierig und fanden mein Pidgeon-Ungarisch drollig.
Beim Gürtelkauf habe ich auch das erste Mal meine neue K&H Visa Electron Karte benutzt. Dabei ist etwas merkwürdiges passiert: ich habe mich irgendwie bei der Geheimzahl vertippt (es war ja auch das erste Mal), das aber gemerkt und "Cancel" gedrückt. Ich versuche also, die Frau an der Kasse auf Ungarisch darauf hinzuweisen, dass sie den Vorgang wohl nochmal einleiten muss. Sie sagt nur "Kein Problem." Ich dachte, ich hätte die Message nicht rübergebracht und sage nochmal: ich habe den falschen Code eingegeben und dann "Cancel" gedrückt. Sie guckt etwas irritiert, sagt: "Ja ja, kein Problem" und hält mir einen Zettel hin, den ich unterschreibe... und dann bekomme ich den Gürtel ud gehe. Ohne Geheimzahl!
Das passt wunderbar mit dem Erlebnis zusammen, das ein sehr spezieller Freund von mir letztens hatte. Ich glaube, die Sache ist ihm peinlich. Ich nenne also den Namen nicht. Ihm wurde also das Portemonnaie geklaut, inklusive EC-Karte. Er hat die Karte innerhalb von einer Stunde sperren lassen. Am darauffolgenden Montag rief ihn seine Bank an: es war mit der EC-Karte eingekauft worden. Ein Paar Schuhe bei Deichmann. Und am nächsten Tag wieder: Schuhe bei Deichmann, und etwas beim Kaufhof. Und später in der Woche noch einmal. Da denkt man also, eine Karte würde sich sperren lassen. Mitnichten: es wird beim Einkauf eben nicht an einer zentralen Stelle überprüft, ob die Karte gültig ist. Nichts ist, wie es scheint! Das System ist der Fehler!
Ich habe ja schonmal erwähnt, dass die (bürokratischen) Regeln in Ungarn zwar streng sind, dass aber irgendwie immer noch irgendwas geht, wenn es eigentlich nicht mehr geht. Gestern hatte ich mal wieder einen ähnlichen Fall: Tamás und ich wollten ja ins Rudas-Bad zur Freud-Lesung. Vor Ort stellte sich natürlich raus, das es eine Riesenschlange gab. Man hätte die Tickets im Vorverkauf holen sollen. Wir sind also um die Ecke ein Bier trinken gegangen, und kamen nach einer Dreiviertelstunde wieder. Da hatte die Veranstaltung schon angefangen, also war keine Schlange mehr da, aber das Bad war voll. Wir sind also zur Kasse und haben gefragt, ob wir noch reinkönnen. Die Antwort war natürlich "Nein", es gäbe keine Umkleidekabine mehr. Wir haben uns also im Vorraum erstmal hingesetzt und beratschlagt, was wir jetzt tun sollen. Und zwei Minuten später ruft der Badewart uns zu, ob wir uns eine Kabine teilen würden, dann könnten wir kommen. Haben wir natürlich gemacht und so noch einen Teil der (etwas merkwürdigen) Freud-Performance im Schwefeldampf des türkischen Bades mitbekommen. Wir hatten ehrlich gesagt nicht viel verpasst, war mein Eindruck.
Die Käsesandwiches von SkyEurope schmecken widerlich.
Auf jeden Fall ist das nicht das erste Mal, das ich mit etwas Hartnäckigkeit doch noch erreichen konnte, was ich wollte. Ein anderes Beispiel: vor drei Wochen bin ich mit meinem französischen Kollegen Vincent zu den Französischen Filmtagen gegangen. Wir wollten "Les temps qui changent" mit Dépardieu und Deneuve sehen. Ich war zuerst da, gehe also zur Kasse und frage nach Tickets. Auch in diesem Fall war es so, dass es vielleicht schlauer gewesen wäre, den Vorverkauf in Anspruch zu nehmen, denn die Antwort war, es sei voll - keine Tickets mehr. Aus irgendeiner Intuition heraus stelle ich mich dann nochmal an der anderen Kasse an. Das hätte ich in Deutschland bestimmt nicht gemacht. Ich meine, wenn die Frau in den Computer guckt und sagt, es sei voll... Ich warte also, bis das ungarische Pärchen vor mir die Kinokarten für den nächsten Monat gesammelt kauft und dafür gefühlte drei Stunden braucht, und als ich dran bin sagt mir die andere Kassiererin: sie haben Glück, sie bekommen die letzten beiden Karten! Ich habe dann beschlossen, mich lieber auf den Film zu freuen als mich über die erste Kassiererin aufzuregen.
Gut, böswillige Menschen können jetzt einwenden, dass die ungarischen Kassiererinnen einfach nicht mit Computern umgehen können, aber so negative Vibes kommen mir nicht in die Tüte!
Ich weiß ja nicht, ob es so schlau ist, immer Clubmusik zu hören. Da bekomme ich Heimweh nach Berlin. Gerade pluckert Booka Shade "Night Falls" auf meine Ohren und ich möchte sofort in der Panoramabar sein. Wäre lustigerweise auch jetzt genau die richtige Zeit.
Unter mir gleiten die schneebedeckte Alpen vorbei, gleich bin ich mal wieder in Euroland und habe nicht mehr das Problem mit dem Geld. (Obwohl ich in Italien wahrscheinlich genau damit ein Problem haben werde, dass ich sofort weiß, wie teuer alles ist.) Also, bis demnächst, arrividerci!
PS So ein Dreck. Ich sitze jetzt in Bergamo auf dem Flughafen, und Heiko & Co verspäten sich. Da bin ich doch glatt mal bereit, den Apothekerpreis für WLAN am Flughafen zu zahlen, um meinen Flugzeug-Post zu veröffentlichen. Denkt Ihr, Vodafone Italien bekommt es hin, eine funktionierende Website zu bauen, auf der ich meine Kreditkartennummer eingeben kann, um dann schön teuer zu surfen? Nee, nich die Digos. Ouh Mann. Gott allein weiß also, wann ich jetzt ans Netz komme. Ich hoffe mal, heute abend.
PPS Wer als erster errät, welche Ikone man auf der Statue oben in der Nähe des Rudas-Bades sieht, verdient sich damit eine Flasche Unicum!
2 Kommentare:
Ciao Signore Italiano,
Come stai a Como?
also, ich mag Unicum (Unicum NEXT! sogar) aber es waere unfair von mir die Antwort auf Dein Raetsel zu geben...
T
Hallo Hans,
bin gerade dabei, nach langer Pause Deinen Blog aufzuarbeiten und ich muss sagen, da kommt mir doch ab und an das Bp-weh hoch. Hach...
Habe zwar selbst noch einen Unicum zu Hause, den mir meine Mitbewohnerin Erzsi damals schenkte, aber da diese Namensgleichheit doch ein zu erstaunlicher Zufall ist, um ihn unerzählt zu lassen, will ich mich doch Deinem Rätsel widmen:
Ist das nicht die herzallerliebste Sissi (Erzsébet)?
Gruß, Kathrin (aus der Böckhstr)
PS: Im Gegensatz zu Tamás kenne ich Unicum NEXT nicht, was ist das denn? Klingt so nach Beck´s Gold...
Kommentar veröffentlichen
<< Home